Dienstag, 9. August 2005

Erst denken, dann schreiben
Wenn er schlecht gelaunt war, dann klangen seine Gedanken für ihn immer wie aus einem deprimierenden Roman. Denn dann fing er an, in der dritten Person über sich und seine Probleme nachzudenken. Und das in diesem nervtötend herablassenden Tonfall von Büchern, die in Buchhandlungen unter "Junge Literatur" stehen und die durch unnötig häufige Verwendung von unpassenden Vergleichen und Metaphern auffallen. Und so entstand in seinem Kopf dann ein furchtbares Buch, dass sich in etwa so gelesen hätte:

"Der Typ, der hinter ihm im Bus saß, ging ihm fürchterlich auf die Nerven. Der hat ein Gehirn, so groß wie eine Erdnuss, dachte er sich. Aber so einer, der hat ja bei den Frauen Erfolg. Als ihm dann der alte Spruch vom dümmsten Bauern mit den dicksten Kartoffeln einfiel, musste er aber doch über sich selbst lachen. Das war doch albern, was er da dachte, dachte er sich. Du bist doch selbst zu blöd zu allem, du verbockst es doch immer wieder, verfluchte er sich selbst. Bringt doch nichts, sich von Idioten im Bus nerven zu lassen. Und dann fing er an, sich an alle seine Fehler der letzten Zeit zu erinnern. Da war er gut, im Erinnern seiner Dummheiten (oder dem, was er für dumm hielt). Seine Überlegungen endeten dann natürlich bei der Vorstellung, sich vor den Zug zu werfen."

Gut, dass er nur in dieser Romanform dachte, wenn er schlecht gelaunt war. Da brachte er es nie über sich, tatsächlich etwas zu schreiben. Bei guter Laune war das anders, da hätte er Seite über Seite schreiben können. Nur fiel ihm dann nichts ein. Er war eben kein Schriftsteller.

von drbierkrug um 23:48h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Sonntag, 17. Juli 2005

Sparen
"Manchmal, da muss man auch die gewöhnlichen Dinge als etwas Besonderes betrachten." sagte er und blickte auf den Füller, als ob dessen Patrone der heilige Gral und als ob deren Tinte das Blut Jesu wären. Dann schrieb er den lange geplanten Kündigungsbrief an seinen Stromanbieter. Er hatte einen billigeren gefunden.

von drbierkrug um 11:59h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Montag, 11. Juli 2005

Zu wahr, um schön zu sein
Da war er nun also an dem Punkt angekommen, an dem er eine Entscheidung treffen musste. Was tun? Er entschloss sich, eine Münze zu werfen. Der Zufall war ihm einfach sympathischer als irgendeine obskure Vorstellung von Schicksal.

Das Schicksal, sagte er sich, muss nehmen, was es bekommt.

von drbierkrug um 15:31h| 2 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Dienstag, 14. Juni 2005

Flucht vor der... Ja...? Vor was eigentlich?
Hänschen hatte seit Ewigkeiten das Gefühl, dass sich alles nur wiederholte. Sowohl was ihn persönlich betraf, als auch bezogen auf die Welt da draußen. Es war doch immer das selbe. Da beschloss Hänschen, revolutionär zu sein. Und nannte sich fortan Hänschenchen.

von drbierkrug um 12:27h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Samstag, 7. Mai 2005

Kein unrechter Diebstahl
Mein Opa hat heute etwas aus den letzten Kriegstagen erzählt. Passend zu 60 Jahren Kriegsende hat ihn mein Vater gefragt, wo er am 8. Mai 1945 war und wie er den Tag erlebt hatte. Nicht dass ich eine solche Frage nicht selbst stellen könnte. Es kam mir nur einfach nicht in den Sinn. So bin ich nun einmal, aber das ist ein anderes Thema.

Mein Opa erzählte davon, wie einige Wochen vor Kriegsende deutsche Soldaten in ihr oberschwäbisches Dorf kamen. Sie stellten ihre Panzer in die Scheunen der Bauern und nahmen sich ihre Häuser als Quartiere. Er war damals gerade erst neun Jahre alt und wohl ein ziemlicher "Lausbub", wie er es ausdrücken würde. Jedenfalls klauten er und seine Freunde von den deutschen Truppen Zinn zum Löten. Wofür sie solches Zinn gebraucht haben, dass hat er nicht gesagt, wahrscheinlich wussten sie das damals selbst nicht. Sie schlichen sich einfach an das Lager heran, nahmen sich den Lötzinn und warfen ihn in die Büsche, wo sie ihn später aufsammelten.

Bald darauf verschwanden die Deutschen, um sich Richtung Allgäu zurückzuziehen. Dafür kamen schon kurze Zeit später die Franzosen. Auch sie stellten ihre Panzer in die Scheuen der Bauern und hausten in ihren Wohnungen. Doch auch sie hat mein Opa bestohlen. Diesmal schnappten er und seine Freunde sich jedoch Lebensmittel. Die Franzosen hatten Wurst und Käse in Tuben, die griffen sie sich, wenn niemand hinsah, um sie genau so in die Büsche zu werfen wie den deutschen Lötzinn.

Es hat mich sehr berührt, wie mein Opa diese Geschichte erzählt hat. Wie leichtsinnig sie waren, die Soldaten zu bestehlen, darüber mussten wir alle lachen. Ich habe ihn schon lange nicht mehr so lachen gesehen.

von drbierkrug um 02:47h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Montag, 4. April 2005

Einsatzbaumarktgeschichte
Und Handschuh-Kalle war so stolz auf seinen großen Coup, das Ausrauben von zwei Baumärkten am selben Tag, dass er es überall herumerzählte, bis ihn jemand verpfiff, so dass er festgenommen wurde und die mehreren tausend Quadratmeter Teppichboden in seiner Wohnung sichergestellt werden konnten.

Aus der Abteilung: Wenn selten benutzte Synapsen auch mal dürfen

von drbierkrug um 19:08h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Freitag, 25. März 2005

Humor und Liebe im Medienzeitalter
Es war einmal ein Paar, das war sehr glücklich zusammen. Sie und er, sie hatten beide einen ganz außergewöhnlichen Humor, beiden konnten sie sowohl selbst witzig sein als auch über die Witze anderer lachen. Deshalb ergänzten sie sich perfekt, denn wenn sie zusammen waren, hatten sie immer sehr viel Spaß. Sie war übrigens eine berühmte Schauspielerin, weshalb auch er es nach einiger Zeit auch zu einiger Berühmtheit in den einschlägigen Blättern der Regenbogenpresse schaffte. Sie waren also ein berühmtes Paar, aber das war, wie bereits angedeutet nicht ihre hervorstechende Eigenschaft, nein, zu etwas besonderem machte die beiden erst ihr einzigartiger Humor.

Als berühmtes Paar zogen sie natürlich Gerüchte geradezu magisch an. Und so kam es eines Tages, dass ihnen die Absicht einer Eheschließung unterstellt wurde. Natürlich war nichts dran an dieser Behauptung, genauso wenig wie an den als logische Folge wenige Wochen später kursierenden Trennungsgerüchten. Natürlich dementierten die beiden all diese Gerüchte bravourös, aus der Welt waren sie jedoch nicht so schnell zu schaffen, zumal sie an einem Film auf der Karibik drehte, während er brav aufs Haus aufpasste, sodass beide also nicht zusammen auftraten. Irgendwann beschlossen die beiden in einem langen Telefonat, die Sache doch einmal mit ihrem einzigartigen Humor anzugehen. Wenn die Presse schon nicht ruhig zu stellen war, dann wollten die beiden wenigstens ihren Spaß haben und die Öffentlichkeit gewaltig an der Nase herumführen: In den folgenden Tagen erzählte sie allen Journalisten, wie viel Spaß es doch mache, mit Jon, ihrem muskelbepacktem Filmpartner. Was denn so viel Spaß mache, ließ sie mit einem koketten Lächeln unbeantwortet. Und er erklärte von zu Hause, dass sie schon vierunddreißig seiner Heiratsanträge abgelehnt habe und er langsam gedenke, keine weiteren mehr zu stellen. Woraufhin sie erklärte, dass sie einen impotenten Mann wie ihn bestimmt niemals heiraten würde. Woraufhin er öffentlich die Beziehung für beendet erklärte und sich in den folgenden Tagen mit einer atemberaubend heißen zwanzigjährigen Nachwuchsschauspielerin sehen ließ, die auf Nachfrage von Reportern immer wieder betonte, dass ihre Beziehung zu ihm wirklich auf allen Feldern großen Spaß mache. In den Wochen nach dem angeblichen Ende ihrer Beziehung kamen unzählige angebliche Details ans Licht der Öffentlichkeit, eins schmutziger als das andere.

Irgendwann, nach vielen Monaten erklärten sie gemeinsam in einem Interview, dass alles nur ein großer Witz von ihnen gewesen wäre und sie sich nie untreu gewesen wären oder getrennt hätten. Das interessierte dann aber auch niemanden mehr.

von drbierkrug um 18:57h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Sonntag, 27. Februar 2005

Du bist der mit dem Problem
Aus einem Vortrag des weltbekannten Psychatriespezialisten Prof. Dr. Hans Georg von Hotzenplötzlich am 27.2.1975 vor einem Fachpublikum:

"Und so stelle ich die Frage: Ist es besser, ein Gesunder unter Verrückten zu sein oder ein Verrückter unter Gesunden? Sicherlich, eine schwere Frage, ich gebe es zu, aber unser Berufsethos legt uns die Pflicht auf, darüber nachzudenken. [...] Zur ersten Variante, dem Gesunden unter Verrückten, weiß ich Einiges zu sagen, schließlich bin ich selber Leiter einer psychatrischen Anstalt. Ja, es ist manchmal wirklich zum Verrücktwerden, mit diesen Verrückten. Wenn man so ziemlich der einzige Vernünftige ist, dann kann man da schon verzweifeln - Sie werden mir sicher zustimmen, verehrte Kollegen. (Gelächter) Nichtsdestotrotz, als Verrückter unter Gesunden, kann man genauso verzweifeln - Auch hier gehe ich davon aus, dass sie meine Erfahrungen teilen, geschätzte Kollegenschaft. (Gelächter) [...]"

von drbierkrug um 12:35h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Samstag, 26. Februar 2005

Kein Autogramm...
...oder warum er sie eigentlich doch liebte

Neulich sah mich eine nicht näher zu bestimmende Prominente. Besagte Prominente war gerade mit dem Schreiben von Autogrammen beschäftigt, weshalb sie, so meine halbgare Vermutung, meinte, der Zettel, den ich in meiner Hand hielt, gelte ihrem Kugelschreiber. Sie steuerte auf mich zu und wollte schon ihre Unterschrift auf mein Blatt Papier setzen, als ich im letzten Moment zurückwich und mein Dokument vor ihr in Sicherheit brachte. Denn ich war früher einmal großer Fan dieser Prominenten gewesen, kann sie aber seit kurzem - einfach so - nicht mehr leiden. Als mir jedoch bewusst wurde, dass sie mein Verhalten als Brüskierung auffassen könnte, machte ich einen kleinen Witz darüber, dass die Seite in meiner Hand "ja ein Geheimdokument" sei. Die Prominente nahm es mit Humor und schrieb unbeirrt Autogramme für ihre anderen Fans. Ich jedoch überlege jetzt noch, was sie mir eigentlich getan hat.

von drbierkrug um 11:47h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten

 



Mittwoch, 23. Februar 2005

Berühmtheiten, Teil 2
Wirklich ein Witz, das mit dem Theater um das Verkehrschaos. Nichts war. Die Straßen waren so gut wie leer. Überhaupt kein Problem. Wahrscheinlich haben alle vorsorglich krank gemacht oder es gar nicht erst versucht. Jedenfalls habe ich heute morgen auf der A66 nur drei Autos gezählt, als ich nach Wiesbaden fuhr.

Auf meinem Fußweg habe ich dann George Bush getroffen. Er kam mir ganz locker entgegen - Condi an seiner Seite - grüßte mich freundlich und fragte, ob ich auf dem Weg zur Schule sei. "Ja", sagte ich, "ich lerne, um meinen Beitrag leisten zu können, dass Deutschland weiterhin so eine tolle Nation bleibt." Da war George ganz begeistert. "Keep it up!", meinte er und wollte sich schon zum gehen wenden. Ich fragte ihn dann noch schnell, wie er denn einfach so hier vorbeispazieren könne, bei all den Sicherheitsvorkehrungen und überhaupt... "I'm the president of the United States.", antwortete er lakonisch und schlenderte von dannen. Ich hörte noch, wie Condi ihm von ihrer letzten Klavierstunde erzählte.

von drbierkrug um 16:22h| 0 Kommentare |kommentieren | Siehe auch: Geschichten