Montag, 27. März 2006
In love with time
- "Diese Sommerzeit ist auch unangenehm."
- "Warum das denn?"
- "Alles ist jetzt länger hell. Ganz so, als wollte es mir zuschreien: 'Sei aktiv, tu was, nutze den schönen Abend.' Aber ich will nicht."
- "Könnte dir nicht schaden, so ein bisschen Aktivität."
- "Verstehst du denn nicht? Diese Sonnenstrahlen grinsen mich frech an und singen: 'Wir sind der Frühling. Los, verlieb dich, verlieb dich.' Aber will mich viel lieber entlieben."
- "Ach das schon wieder."
- "Ja."
- "Vielleicht würde das mit dem Vergessen und 'Entlieben' viel besser klappen, wenn du es endlich auch als eine Aufgabe betrachten würdest. Am besten als eine Aufgabe für einen solchen sonnigen frühen Abend."
- "Nein, das hat ein schmerzlicher, qualvoller Prozess zu sein, dem man sich machtlos ausgeliefert fühlt. Dessen Abschluss man sich wünscht und doch nie erreichen will."
- "Du alter Idealist."
- "Fürchte ich auch."
- "Warum das denn?"
- "Alles ist jetzt länger hell. Ganz so, als wollte es mir zuschreien: 'Sei aktiv, tu was, nutze den schönen Abend.' Aber ich will nicht."
- "Könnte dir nicht schaden, so ein bisschen Aktivität."
- "Verstehst du denn nicht? Diese Sonnenstrahlen grinsen mich frech an und singen: 'Wir sind der Frühling. Los, verlieb dich, verlieb dich.' Aber will mich viel lieber entlieben."
- "Ach das schon wieder."
- "Ja."
- "Vielleicht würde das mit dem Vergessen und 'Entlieben' viel besser klappen, wenn du es endlich auch als eine Aufgabe betrachten würdest. Am besten als eine Aufgabe für einen solchen sonnigen frühen Abend."
- "Nein, das hat ein schmerzlicher, qualvoller Prozess zu sein, dem man sich machtlos ausgeliefert fühlt. Dessen Abschluss man sich wünscht und doch nie erreichen will."
- "Du alter Idealist."
- "Fürchte ich auch."
Montag, 13. März 2006
Dr. M. war ein komischer Kauz. Er widersprach mir grundsätzlich, egal worum es ging. Das forderte mich immer wieder heraus. Wir führten deshalb häufig Streitgespräche. Es waren natürlich fruchtlose Debatten. Da er mir wie gesagt grundsätzlich widersprach, gab ich jedesmal irgendwann unwiderlegbare Allgemeinplätze von mir: "Aber wir sind doch alle Menschen!", oder ähnliches sagte ich dann. Meist nickte Dr. M. dann stumm und knirschte mit den Zähnen. Das war das Zeichen, das wir für heute genug geredet hatten.
Einmal lenkte ich unser Gespräch auf die großen letzten Fragen. Normalerweise tat ich das nicht, denn Dr. M. war schon recht alt. Mit alten Menschen mag ich nicht über Fragen von Leben, Tod, Himmel und Hölle reden. Aus Rücksicht. Aber dieses eine Mal war ich bösartig.
Wie immer brachte mich Dr. M. zunehmend auf die Palme. "Aber wir sind doch alle sterblich!", brüllte ich irgendwann. Da sah mich Dr. M. scharf an. "Ich werde nie sterben.", sagte er, "Ich habe einflussreiche Freunde."
Leider habe ich nie erfahren, ob er recht hatte. Ich starb am nächsten Tag bei einem Verkehrsunfall.
Einmal lenkte ich unser Gespräch auf die großen letzten Fragen. Normalerweise tat ich das nicht, denn Dr. M. war schon recht alt. Mit alten Menschen mag ich nicht über Fragen von Leben, Tod, Himmel und Hölle reden. Aus Rücksicht. Aber dieses eine Mal war ich bösartig.
Wie immer brachte mich Dr. M. zunehmend auf die Palme. "Aber wir sind doch alle sterblich!", brüllte ich irgendwann. Da sah mich Dr. M. scharf an. "Ich werde nie sterben.", sagte er, "Ich habe einflussreiche Freunde."
Leider habe ich nie erfahren, ob er recht hatte. Ich starb am nächsten Tag bei einem Verkehrsunfall.
Sonntag, 4. Dezember 2005
Nichtstun.
Jürgen Kühn war ein ungewöhnlicher Zeitgenosse. Denn sein eigenes Wohlergehen war ihm ziemlich egal. Es war ihm einfach zuviel Mühe, sich um sein persönliches Fortkommen zu bemühen. Das äußerte sich zum Beispiel darin, dass er lieber zu Hause vor dem Fernseher saß als sich mit anderen Menschen zu treffen. Und dass er deshalb auch keine Frau oder Freundin hatte. Zwar hatte er das schon ausprobiert, aber es war ihm zu anstrengend gewesen.
Seien Sie jetzt nicht vorschnell in Ihren Schlüssen, lieber Leser, und verurteilen sie Jürgen Kühn nicht als egozentrisch. Sein Lebenswandel war im Gegenteil auf bizarre Weise ausgesprochen altruistisch. Denn Jürgen Kühn hätte ein nicht unbescheidenes Vermögen anhäufen können (mit seiner Arbeit als Notar verdiente er recht gut), wenn er denn gewollt hätte. Doch er strebte überhaupt nicht nach Reichtümern und hatte es sich über die Jahre zur Angewohnheit gemacht, seine Steuererklärung auf den Satz „Nehmen Sie sich, soviel Sie wollen.“ zu vereinfachen. Zuletzt ergänzte er keck: „Aber bitte nicht so viel, wie Sie brauchen.“ Mehr Mühe wollte er sich partout nicht machen. Was ihm dabei einfach nicht klar wurde, war, dass sein Verhalten natürlich nur noch mehr Mühe nach sich zog. Denn das Finanzamt hielt seine Erklärung immer für einen Scherz und machte ihm die Hölle heiß, bis er schließlich doch den bürokratischen Pflichten nachkam. Und weniger Steuern zahlte, als er zu zahlen bereit gewesen war.
Daran sehen Sie schon, lieber Leser, dass Jürgen Kühn jegliche vorausschauende Lebensplanung fremd war. Die Maxime seines Handelns war stets der möglichst rasche möglichst geringe Arbeitsaufwand. Davon kündet auch folgende Episode:
Es war irgendwann letzten März, da schaffte sich Jürgen Kühn eine Waschmaschine an. Eines dieser superneuen, supereinfachen Geräte, die auch noch dem dümmsten Hausmann das Wäschewaschen ermöglichen sollten. Freiwillig geschah diese Anschaffung freilich nicht, vielmehr hatte der Waschsalon unter seiner Wohnung, der damals ganz entscheidend zu seiner Entscheidung für diese Immobilie beigetragen hatte, plötzlich geschlossen.
Jürgen ließ die Waschmaschine in seinem Bad aufstellen. Als sich sein Kleiderschrank fast völlig geleert hatte, probierte er sie zum ersten Mal aus. In der Tat ließ sie sich recht einfach bedienen und schon nach kurzer Zeit hatte Jürgen das Waschprogramm in Gang gesetzt. Er war mit seiner Anschaffung zufrieden und setzte sich vor den Fernseher. Nach etwa einer halben Stunde hörte er ein merkwürdiges Brummen. Aber er hatte keine Lust nachzusehen. Mit der Zeit wurde das Brummen immer penetranter. Er machte den Fernseher lauter. Irgendwann konnte er es jedoch nicht mehr ignorieren. Als Quelle des Geräusches machte er natürlich seine neue Waschmaschine aus. Diese hatten keinen sauberen Stand auf dem Boden und vibrierte deshalb im Schleudergang den Badezimmerboden entlang. Jürgen war beruhigt, er hatte ein schwerwiegenderes Problem befürchtet, eines, dass ihm möglicherweise den Tag hätte versauen können. In der brummenden Waschmaschine sah er keine Gefahr und so kehrte er tatenlos aber gewissensberuhigt vor den Fernseher zurück. Bald schon beschwerten sich Nachbarn, doch Jürgen war nicht in der Stimmung, etwas zu unternehmen. Er ging davon aus, dass die Maschine schon irgendwann fertig sein würde. Unglücklicherweise hatte die Maschine jedoch einen Fehler in der Software. Sie schleuderte einfach immer weiter, mehrere Stunden lang. Jürgen unternahm nichts. Immerhin kam „Lenßen und Partner“.
An dieser Stelle, lieber Leser, verlassen uns leider die gesicherten Fakten und wir müssen auf Mutmaßungen zurückgreifen. Dem tatsächlichen Geschehen am nächsten kommt sicherlich der Bericht der Feuerwehr:
„[...] Die nicht sicher verankerte Maschine bewegte sich auf Grund der inneren Schwingungen auf die vordere Wand zu und stieß auf diese. Direkt hinter der Wand lagen zentrale Wasserleitungen. Das Metall der Leitungen wurde durch die Maschine in eine Schwingung versetzt, welche sich durch das ganze Haus verbreitete und das Fundament in Bewegung versetzte. Dadurch entstand der große Riss in der tragenden Wand. Der Effekt war dem eines leichten Erdbebens vergleichbar, woran einige Anwohner ja auch zuerst gedacht haben. Als Glück im Unglück ist zu bezeichnen, dass der Riss in der tragenden Wand eine wichtige Stromleitung unterbrach, so dass die Waschmaschine den Betrieb einstellte. [...] Der Besitzer der Waschmaschine zeigte sich bei unserem Eintreffen sehr überrascht und gab vor, nichts bemerkt zu haben. [...]“
Jürgen musste sich daraufhin eine neue Wohnung suchen und sah sich horrenden Schadenersatzforderungen gegenüber. Er überlegte schon, für dieses Jahr eine richtige Steuererklärung anzufertigen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, weil er bereits zwei Wochen später in Folge starken Zahnschmerzes verstarb.
Seien Sie jetzt nicht vorschnell in Ihren Schlüssen, lieber Leser, und verurteilen sie Jürgen Kühn nicht als egozentrisch. Sein Lebenswandel war im Gegenteil auf bizarre Weise ausgesprochen altruistisch. Denn Jürgen Kühn hätte ein nicht unbescheidenes Vermögen anhäufen können (mit seiner Arbeit als Notar verdiente er recht gut), wenn er denn gewollt hätte. Doch er strebte überhaupt nicht nach Reichtümern und hatte es sich über die Jahre zur Angewohnheit gemacht, seine Steuererklärung auf den Satz „Nehmen Sie sich, soviel Sie wollen.“ zu vereinfachen. Zuletzt ergänzte er keck: „Aber bitte nicht so viel, wie Sie brauchen.“ Mehr Mühe wollte er sich partout nicht machen. Was ihm dabei einfach nicht klar wurde, war, dass sein Verhalten natürlich nur noch mehr Mühe nach sich zog. Denn das Finanzamt hielt seine Erklärung immer für einen Scherz und machte ihm die Hölle heiß, bis er schließlich doch den bürokratischen Pflichten nachkam. Und weniger Steuern zahlte, als er zu zahlen bereit gewesen war.
Daran sehen Sie schon, lieber Leser, dass Jürgen Kühn jegliche vorausschauende Lebensplanung fremd war. Die Maxime seines Handelns war stets der möglichst rasche möglichst geringe Arbeitsaufwand. Davon kündet auch folgende Episode:
Es war irgendwann letzten März, da schaffte sich Jürgen Kühn eine Waschmaschine an. Eines dieser superneuen, supereinfachen Geräte, die auch noch dem dümmsten Hausmann das Wäschewaschen ermöglichen sollten. Freiwillig geschah diese Anschaffung freilich nicht, vielmehr hatte der Waschsalon unter seiner Wohnung, der damals ganz entscheidend zu seiner Entscheidung für diese Immobilie beigetragen hatte, plötzlich geschlossen.
Jürgen ließ die Waschmaschine in seinem Bad aufstellen. Als sich sein Kleiderschrank fast völlig geleert hatte, probierte er sie zum ersten Mal aus. In der Tat ließ sie sich recht einfach bedienen und schon nach kurzer Zeit hatte Jürgen das Waschprogramm in Gang gesetzt. Er war mit seiner Anschaffung zufrieden und setzte sich vor den Fernseher. Nach etwa einer halben Stunde hörte er ein merkwürdiges Brummen. Aber er hatte keine Lust nachzusehen. Mit der Zeit wurde das Brummen immer penetranter. Er machte den Fernseher lauter. Irgendwann konnte er es jedoch nicht mehr ignorieren. Als Quelle des Geräusches machte er natürlich seine neue Waschmaschine aus. Diese hatten keinen sauberen Stand auf dem Boden und vibrierte deshalb im Schleudergang den Badezimmerboden entlang. Jürgen war beruhigt, er hatte ein schwerwiegenderes Problem befürchtet, eines, dass ihm möglicherweise den Tag hätte versauen können. In der brummenden Waschmaschine sah er keine Gefahr und so kehrte er tatenlos aber gewissensberuhigt vor den Fernseher zurück. Bald schon beschwerten sich Nachbarn, doch Jürgen war nicht in der Stimmung, etwas zu unternehmen. Er ging davon aus, dass die Maschine schon irgendwann fertig sein würde. Unglücklicherweise hatte die Maschine jedoch einen Fehler in der Software. Sie schleuderte einfach immer weiter, mehrere Stunden lang. Jürgen unternahm nichts. Immerhin kam „Lenßen und Partner“.
An dieser Stelle, lieber Leser, verlassen uns leider die gesicherten Fakten und wir müssen auf Mutmaßungen zurückgreifen. Dem tatsächlichen Geschehen am nächsten kommt sicherlich der Bericht der Feuerwehr:
„[...] Die nicht sicher verankerte Maschine bewegte sich auf Grund der inneren Schwingungen auf die vordere Wand zu und stieß auf diese. Direkt hinter der Wand lagen zentrale Wasserleitungen. Das Metall der Leitungen wurde durch die Maschine in eine Schwingung versetzt, welche sich durch das ganze Haus verbreitete und das Fundament in Bewegung versetzte. Dadurch entstand der große Riss in der tragenden Wand. Der Effekt war dem eines leichten Erdbebens vergleichbar, woran einige Anwohner ja auch zuerst gedacht haben. Als Glück im Unglück ist zu bezeichnen, dass der Riss in der tragenden Wand eine wichtige Stromleitung unterbrach, so dass die Waschmaschine den Betrieb einstellte. [...] Der Besitzer der Waschmaschine zeigte sich bei unserem Eintreffen sehr überrascht und gab vor, nichts bemerkt zu haben. [...]“
Jürgen musste sich daraufhin eine neue Wohnung suchen und sah sich horrenden Schadenersatzforderungen gegenüber. Er überlegte schon, für dieses Jahr eine richtige Steuererklärung anzufertigen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, weil er bereits zwei Wochen später in Folge starken Zahnschmerzes verstarb.
Montag, 3. Oktober 2005
Leicht zu verstehen
Politische Autorität kann eine Person auf vielfältige Weise gewinnen. Sie kann durch besondere Fähigkeiten, wie großem Redetalent oder herausragender Popularität, gebildet, durch Wahlerfolge aufgebaut und durch ein Netz persönlicher Beziehungen gefestigt werden. So oder so ähnlich läuft es in der Politik ab, vor allem in Demokratien. Auch im leider relativ unbekannten Inselstaat Klaschinien, einer alteingesessenen Demokratie in der Südsee, war es nie anders. Doch eines Tages sollte sich dort alles ändern.
Es war der Tag der Wahl, an der zum ersten Mal die Pyjamapartei teilnahm, eine Partei, die sich zum Hauptziel ihrer Politik die Einführung einer Pyjamapflicht zu allen Tageszeiten gesetzt hatte. Der Parteigründer und Vorsitzende Hein Schlafmütze (Name ins Deutsche übersetzt und dann zur besseren Illustration abgeändert) hatte offensiv für seine Politik des Pyjamatragens geworben (indem er selbst immer in verschiedenen bunten Schlafanzügen aufgetreten war) und entsprechend optimistisch sah man in der Pyjamapartei dem Wahlausgang entgegen. Den Ministerpräsidenten zu stellen, dachte man sich, sollte schon drin sein. Doch das Ergebnis enttäuschte: Die Pyjamapartei scheiterte an der Vierprozenthürde, lediglich Hein Schlafmütze selbst zog als direktgewählter Abgeordneter ins Parlament ein. Da stimmten die Parteimitglieder natürlich sofort einen Katzenjammer an und weinten bitterlich über ihre Niederlage, zumindest so lange, bis Hein Schlafmütze im klaschinischen Staatsfernsehen auftrat. Denn der, den sie manchmal - natürlich scherzhaft - den großen Vorsitzenden nannten, polterte auf einmal los, dass das grandiose Wahlergebnis seiner Partei ein eindeutiger Regierungsauftrag sei, dass die Bürger eindeutig für eine Politik unter dem Zeichen des Pyjamas gestimmt hätten und eine Regierung ohne seine Führung, der von Hein Schlafmütze, nicht möglich, nicht stabil und überhaupt auch gar nicht gewollt sei.
Da jubelte die Pyjamapartei, spürten die Mitglieder doch eindeutig, dass ihr Vorsitzender ungemein im Recht war. Alle anderen Parteien waren vom Auftreten des Pyjamaträgers dermaßen überrascht und überrumpelt, dass sie sich binnen zwei Tagen in widersprüchlichen Aussagen verhakten und schließlich den Anspruch Hein Schlafmützes akzeptieren. Binnen eines Monats wurde er Ministerpräsident. Zügig setzte er seine pyjamageprägte Reformpolitik um. Nach einem Jahr ernannte ihn das Parlament in seiner letzten Sitzung überhaupt zum uneingeschränkten Herrscher Klaschiniens.
Hein Schlafmütze hatte danach natürlich gar nicht gestrebt, das Parlament schaffte sich vielmehr eigenmächtig ab, mit der Begründung, dass Wahlen die Bürger Klaschiniens nur aus ihrem unverzichtbaren Dauerschlaf rissen.
Es war der Tag der Wahl, an der zum ersten Mal die Pyjamapartei teilnahm, eine Partei, die sich zum Hauptziel ihrer Politik die Einführung einer Pyjamapflicht zu allen Tageszeiten gesetzt hatte. Der Parteigründer und Vorsitzende Hein Schlafmütze (Name ins Deutsche übersetzt und dann zur besseren Illustration abgeändert) hatte offensiv für seine Politik des Pyjamatragens geworben (indem er selbst immer in verschiedenen bunten Schlafanzügen aufgetreten war) und entsprechend optimistisch sah man in der Pyjamapartei dem Wahlausgang entgegen. Den Ministerpräsidenten zu stellen, dachte man sich, sollte schon drin sein. Doch das Ergebnis enttäuschte: Die Pyjamapartei scheiterte an der Vierprozenthürde, lediglich Hein Schlafmütze selbst zog als direktgewählter Abgeordneter ins Parlament ein. Da stimmten die Parteimitglieder natürlich sofort einen Katzenjammer an und weinten bitterlich über ihre Niederlage, zumindest so lange, bis Hein Schlafmütze im klaschinischen Staatsfernsehen auftrat. Denn der, den sie manchmal - natürlich scherzhaft - den großen Vorsitzenden nannten, polterte auf einmal los, dass das grandiose Wahlergebnis seiner Partei ein eindeutiger Regierungsauftrag sei, dass die Bürger eindeutig für eine Politik unter dem Zeichen des Pyjamas gestimmt hätten und eine Regierung ohne seine Führung, der von Hein Schlafmütze, nicht möglich, nicht stabil und überhaupt auch gar nicht gewollt sei.
Da jubelte die Pyjamapartei, spürten die Mitglieder doch eindeutig, dass ihr Vorsitzender ungemein im Recht war. Alle anderen Parteien waren vom Auftreten des Pyjamaträgers dermaßen überrascht und überrumpelt, dass sie sich binnen zwei Tagen in widersprüchlichen Aussagen verhakten und schließlich den Anspruch Hein Schlafmützes akzeptieren. Binnen eines Monats wurde er Ministerpräsident. Zügig setzte er seine pyjamageprägte Reformpolitik um. Nach einem Jahr ernannte ihn das Parlament in seiner letzten Sitzung überhaupt zum uneingeschränkten Herrscher Klaschiniens.
Hein Schlafmütze hatte danach natürlich gar nicht gestrebt, das Parlament schaffte sich vielmehr eigenmächtig ab, mit der Begründung, dass Wahlen die Bürger Klaschiniens nur aus ihrem unverzichtbaren Dauerschlaf rissen.
Samstag, 1. Oktober 2005
Enttäuschung Klischee Kalauer
Er fuhr einen mattgelben neunzigerjahre Corolla. Das sah so komisch aus, dass die Leute noch nicht einmal ihre Briefe hineinwarfen.
Mittwoch, 28. September 2005
Herr, deine Fliegen
Nachfolgend ein kleines literarisches Experiment, inspiriert vom schnitzlerschen inneren Monolog:
Meine Freundin sagt immer, ich sei so süß und ich könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Das nervt mich gewaltig. In Wirklichkeit bin ich nämlich ein total verwegener Haudegen. Und überhauptgarnicht süß. Es ist auch nicht so, dass ich einer Fliege nichts zu Leide tun könnte. Ich sehe nur keinen vernünftigen Grund, Fliegen zu erschlagen. Sie tun mir doch nichts, sie brummen nur ein bisschen durch die Luft. Die Fliege zum Beispiel, die gerade vor meinem Kopf herumschwirrt, die tut mir auch nichts. Sie geht nur ihren Pflichten als gute Fliege nach. Was Fliegen eben so tun, das tut sie: Sich auf Hundehaufen niederlassen, sich die Ärmchen reiben, rumschwirren, sich auf den Tellern der Restaurantgäste niederlassen. Solche Sachen eben, das gehört sich einfach für Fliegen. Natürlich wäre es mir lieber, wenn die Fliege jetzt nicht in Kreisbahnen um meinen Kopf sausen würde. Aber wie heißt es so schön: Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden. Dieser aufklärerische Grundsatz gilt doch für alle Lebewesen, also auch für Fliegen. Gut, sie müsste jetzt nicht unbedingt auf meinem Arm landen. Das kitzelt so unangenehm, aber ich verkrafte es. Mit einer kleinen Handbewegung werde ich sie schon verscheuchen können. Na sowas. Sie bleibt einfach auf meinem Arm sitzen. Aber das ist kein Grund zur Aufregung, vielleicht ist die Fliege schon etwas älter, da werden auch bei diesen Tieren die Reaktionen etwas träge. Husch, husch, weg da. Wirst du wohl weggehen? Na los, du... – Oh mein Gott. Ich habe sie umgebracht. Dabei kann ich doch keiner Fliege etwas zu Leide tun. Wenn meine Freundin das erfährt – was wird sie bloß von mir denken? Dann hält sie mich bestimmt nicht mehr für so süß. Der schwarze Fleck auf meinem Ellenbogen sieht auch nicht gerade appetitlich aus. Schnell, ich muss die Spuren beseitigen – wo ist hier bloß die Toilette. Oh Gott, da ist meine Freundin, sie darf mich nicht sehen – am besten verstecke ich mich hier hinter dem Busch. Wie konnte das nur geschehen. Die arme Fliege. Was für eine Sauerei.
Meine Freundin sagt immer, ich sei so süß und ich könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Das nervt mich gewaltig. In Wirklichkeit bin ich nämlich ein total verwegener Haudegen. Und überhauptgarnicht süß. Es ist auch nicht so, dass ich einer Fliege nichts zu Leide tun könnte. Ich sehe nur keinen vernünftigen Grund, Fliegen zu erschlagen. Sie tun mir doch nichts, sie brummen nur ein bisschen durch die Luft. Die Fliege zum Beispiel, die gerade vor meinem Kopf herumschwirrt, die tut mir auch nichts. Sie geht nur ihren Pflichten als gute Fliege nach. Was Fliegen eben so tun, das tut sie: Sich auf Hundehaufen niederlassen, sich die Ärmchen reiben, rumschwirren, sich auf den Tellern der Restaurantgäste niederlassen. Solche Sachen eben, das gehört sich einfach für Fliegen. Natürlich wäre es mir lieber, wenn die Fliege jetzt nicht in Kreisbahnen um meinen Kopf sausen würde. Aber wie heißt es so schön: Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden. Dieser aufklärerische Grundsatz gilt doch für alle Lebewesen, also auch für Fliegen. Gut, sie müsste jetzt nicht unbedingt auf meinem Arm landen. Das kitzelt so unangenehm, aber ich verkrafte es. Mit einer kleinen Handbewegung werde ich sie schon verscheuchen können. Na sowas. Sie bleibt einfach auf meinem Arm sitzen. Aber das ist kein Grund zur Aufregung, vielleicht ist die Fliege schon etwas älter, da werden auch bei diesen Tieren die Reaktionen etwas träge. Husch, husch, weg da. Wirst du wohl weggehen? Na los, du... – Oh mein Gott. Ich habe sie umgebracht. Dabei kann ich doch keiner Fliege etwas zu Leide tun. Wenn meine Freundin das erfährt – was wird sie bloß von mir denken? Dann hält sie mich bestimmt nicht mehr für so süß. Der schwarze Fleck auf meinem Ellenbogen sieht auch nicht gerade appetitlich aus. Schnell, ich muss die Spuren beseitigen – wo ist hier bloß die Toilette. Oh Gott, da ist meine Freundin, sie darf mich nicht sehen – am besten verstecke ich mich hier hinter dem Busch. Wie konnte das nur geschehen. Die arme Fliege. Was für eine Sauerei.
Montag, 5. September 2005
Zurückkehren bei der Flucht nach vorne
Der Autor Hubert lag auf der Couch und warf den Ausdruck seines neuen Buches in den Müll. Dazu zerknüllte er einzeln jedes der Blätter, die er neben sich auf den Tisch gelegt hatte, und warf es in Richtung Mülleimer. Als er alle Blätter geworfen hatte, stand er auf und sammelte alle zerknüllten Papiere ein, die nicht ihr Ziel gefunden hatten (etwa die Hälfte aller). Er legte sich wieder auf die Couch, um sich erneut daran zu versuchen, die Blätter im Müll zu versenken. So ging es eine Weile.
Dann kam seine hübsche Mitbewohnerin nach Hause. Sie betrachtete das Schauspiel, dann fragte sie, was denn los sei. Hubert meinte, er sei frustriert und wolle gerne alleingelassen werden. Ob er das ernst meine, fragte seine hübsche Mitbewohnerin. Nein, natürlich nicht, kam prompt Huberts Antwort, er ertrinke gerade in Selbstmitleid und bettle um Aufmerksamkeit. Seine hübsche Mitbewohnerin setzte sich lächelnd zu ihm auf die Couch und fragte, ob er denn wirklich sein ganzes Buch wegwerfen wolle. Hubert verneinte und bemerkte, dass es nur ein Ausdruck sei und er noch alles auf seinem Computer habe. Das Wegwerfen der Seiten sei vielmehr symbolisch gemeint. "Achso..." sagte die hübsche Mitbewohnerin. "...achso."
Das Buch wurde übrigens ein großer Erfolg.
Dann kam seine hübsche Mitbewohnerin nach Hause. Sie betrachtete das Schauspiel, dann fragte sie, was denn los sei. Hubert meinte, er sei frustriert und wolle gerne alleingelassen werden. Ob er das ernst meine, fragte seine hübsche Mitbewohnerin. Nein, natürlich nicht, kam prompt Huberts Antwort, er ertrinke gerade in Selbstmitleid und bettle um Aufmerksamkeit. Seine hübsche Mitbewohnerin setzte sich lächelnd zu ihm auf die Couch und fragte, ob er denn wirklich sein ganzes Buch wegwerfen wolle. Hubert verneinte und bemerkte, dass es nur ein Ausdruck sei und er noch alles auf seinem Computer habe. Das Wegwerfen der Seiten sei vielmehr symbolisch gemeint. "Achso..." sagte die hübsche Mitbewohnerin. "...achso."
Das Buch wurde übrigens ein großer Erfolg.
Samstag, 27. August 2005
Die Legende vom Teppich
Habt ihr schon einmal von der Legende von dem Teppich gehört, der jedermann aus dem Weg ging? Nicht? Ihr haltet einen Teppich, der jedermann aus dem Weg geht, für eine schwachsinnige Erfindung? Gut, es mag euch jetzt zunächst komisch vorkommen, dass es einen solchen Teppich gegeben haben soll. Und in der Tat sprechen zwei ganz entscheidende Dinge gegen die Legende vom Teppich, der jedermann aus dem Weg ging: Zuallererst können Teppiche natürlich gar nicht gehen, werdet ihr mir sagen, und aus dem Weg gehen können sie schon gar nicht. Das stimmt natürlich und wird noch erhärtet durch ein zweites Argument, nämlich dem, dass Teppiche doch dazu da sind, im Weg zu liegen. Natürlich habt ihr Recht, wenn ihr diese Dinge anmerkt, doch das schmälert den Wahrheitsgehalt der Legende vom Teppich, der jedermann aus dem Weg ging, nicht im Geringsten. Denn der Teppich, der jedermann aus dem Weg ging, hatte einen guten Grund, jedermann auf dem Weg zu gehen: Zu viele Jahre war auf ihm herumgetrampelt worden. Er konnte es einfach nicht länger ertragen. Und ich weigere mich, physikalische Unmöglichkeiten, wie das ausweichende Verhalten des Teppichs, höher zu bewerten als den uneingeschränkten, bergeversetzenden Willen des Teppichs, jedermann aus dem Weg zu gehen. Der Teppich verkroch sich einfach in aller Ruhe und ging fortan jedermann aus dem Weg. Die Legende sagt, dass es ihm war es egal, was die Leute sagten. So möchte ich es auch halten.
Samstag, 20. August 2005
Jede Generation hat ihre eigenen Probleme
Neulich meinte der kleine Robert, mein 14jähriger Großcousin, dass man erst dann wirklich über ein Mädchen hinweggekommen sei, wenn man ihr nur deshalb eine SMS schreibt, weil man sich davon abhalten will, einem anderen Mädchen eine SMS zu schreiben.
Aus ihm wird bestimmt mal ein großer Schriftsteller, wo er jetzt schon solch feine Gedanken formuliert.
Aus ihm wird bestimmt mal ein großer Schriftsteller, wo er jetzt schon solch feine Gedanken formuliert.
Dienstag, 16. August 2005
Von liebenswürdigen Menschen
Es war da einmal ein Land, in dem die Bürger nett zueinander waren und sich mit Respekt behandelten. Das Land hieß Harmonia und war ein ganz und gar ungewöhnlicher Ort. Die Menschen dort fielen sich nicht gegenseitig ins Wort, beim Autofahren wollte jeder dem anderen Vorfahrt gewähren und die größte Arbeitslosigkeit herrschte unter Juristen.
Hin und wieder wurde gewählt in Harmonia, doch einen Wahlkampf gab es nicht. Die regierende und die oppositionelle Partei (letztere nannte sich selbst aber die "nicht-so-sehr-regierende Partei") dachten gar nicht daran, sich zu streiten. Stattdessen lobten beide Seiten das Konzept ihrer Kollegen und wiesen auf die große Kompetenz der Anderen hin. Am Wahlabend gewann in der Regel die "nicht-so-sehr-regierende Partei", damit die auch mal wieder dran war. Die regierende Partei grähmte sich aber nie lange und schon bald feierte ganz Harmonia ein rauschendes Fest. Dabei gab es nie Schlägereien oder andere Auseinandersetzungen, weil Alkohol auf die Harmonier eigentlich nur ein wenig einschläfernd wirkte.
Harmonia ging es sehr gut, es gab reichlich zu essen, außerdem extraweiches Klopapier und hin und wieder auch etwas gutes am Samstag abend im Fernsehen. Wenn die Harmonier nicht ausgestorben sind, dann leben sie noch heute.
Hin und wieder wurde gewählt in Harmonia, doch einen Wahlkampf gab es nicht. Die regierende und die oppositionelle Partei (letztere nannte sich selbst aber die "nicht-so-sehr-regierende Partei") dachten gar nicht daran, sich zu streiten. Stattdessen lobten beide Seiten das Konzept ihrer Kollegen und wiesen auf die große Kompetenz der Anderen hin. Am Wahlabend gewann in der Regel die "nicht-so-sehr-regierende Partei", damit die auch mal wieder dran war. Die regierende Partei grähmte sich aber nie lange und schon bald feierte ganz Harmonia ein rauschendes Fest. Dabei gab es nie Schlägereien oder andere Auseinandersetzungen, weil Alkohol auf die Harmonier eigentlich nur ein wenig einschläfernd wirkte.
Harmonia ging es sehr gut, es gab reichlich zu essen, außerdem extraweiches Klopapier und hin und wieder auch etwas gutes am Samstag abend im Fernsehen. Wenn die Harmonier nicht ausgestorben sind, dann leben sie noch heute.
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