Erst denken, dann schreiben
Wenn er schlecht gelaunt war, dann klangen seine Gedanken für ihn immer wie aus einem deprimierenden Roman. Denn dann fing er an, in der dritten Person über sich und seine Probleme nachzudenken. Und das in diesem nervtötend herablassenden Tonfall von Büchern, die in Buchhandlungen unter "Junge Literatur" stehen und die durch unnötig häufige Verwendung von unpassenden Vergleichen und Metaphern auffallen. Und so entstand in seinem Kopf dann ein furchtbares Buch, dass sich in etwa so gelesen hätte:

"Der Typ, der hinter ihm im Bus saß, ging ihm fürchterlich auf die Nerven. Der hat ein Gehirn, so groß wie eine Erdnuss, dachte er sich. Aber so einer, der hat ja bei den Frauen Erfolg. Als ihm dann der alte Spruch vom dümmsten Bauern mit den dicksten Kartoffeln einfiel, musste er aber doch über sich selbst lachen. Das war doch albern, was er da dachte, dachte er sich. Du bist doch selbst zu blöd zu allem, du verbockst es doch immer wieder, verfluchte er sich selbst. Bringt doch nichts, sich von Idioten im Bus nerven zu lassen. Und dann fing er an, sich an alle seine Fehler der letzten Zeit zu erinnern. Da war er gut, im Erinnern seiner Dummheiten (oder dem, was er für dumm hielt). Seine Überlegungen endeten dann natürlich bei der Vorstellung, sich vor den Zug zu werfen."

Gut, dass er nur in dieser Romanform dachte, wenn er schlecht gelaunt war. Da brachte er es nie über sich, tatsächlich etwas zu schreiben. Bei guter Laune war das anders, da hätte er Seite über Seite schreiben können. Nur fiel ihm dann nichts ein. Er war eben kein Schriftsteller.
Dienstag, 9. August 2005, 23:48, von drbierkrug | |comment | Siehe auch: Geschichten