Dienstag, 27. September 2005
Bus
Gleich werde ich wieder mit dem Bus fahren. Meine Buslinie gibt es in ihrer jetzigen Form erst seit letztem Dezember, doch sie ist mir schon sehr an Herz gewachsen. Ich muss ungefähr zwei Minuten zur Bushaltestelle laufen. Morgens stehen immer schon fünf oder sechs Leute da, wenn ich zu der Haltestelle komme. Der Bus ist dann meistens auch schon halb gefüllt. Mittags treffe ich dagegen meist niemanden. Einmal war sogar der Bus völlig leer und zwei Haltestellen lang war ich der einzige Fahrgast.
Der erste Halt ist vor einem örtlichen Vertreter der REWE-Handelsgruppe. Der nächste ist vor einem Bürogebäude im Gewerbegebiet. Hier steigen eigentlich immer Leute ein. Die letzte Haltestelle unserer kleinen Ortschaft wird dagegen nicht so sehr genutzt. Hier steigt dafür aber manchmal ein alte Mann ein, der ein froschähnliches Gesicht hat, was vor allem an seinen desorientierten Glubschaugen liegt. Wenn ich morgens im Bus fahre und der alte Mann zusteigt, dann kann ich manchmal in seiner Bildzeitung mitlesen. Besondere Freude bereitet es mir dann, den Text über das Mädchen auf der Titelseite zu lesen ("Jana möchte nämlich einmal Model werden.").
Überhaupt ist es natürlich so, dass ich auf der Fahrt sehr häufig bekannte Gesichter sehe. Da ist zum Beispiel dieses Mädchen, dass ich von irgendwoher kenne. Ich weiß nur nicht, woher. Oder der alte Raucher mit der Jeansjacke, der so aussieht, als würde er nur deshalb Bus fahren, weil man ihm den Führerschein abgenommen hat. Doch zurück zur eigentlichen Fahrt.
Der Bus verlässt jetzt unsere Ortschaft und beschleunigt auf satte 70 km/h. Dann kommt er in die nächste Ortschaft, an deren Eingang eine Haltestelle ist, die eigentlich nie genutzt wird. Auch die nächste Haltestelle ist nicht sehr beliebt, aber der Bus hält trotzdem immer, um den Weg für die Autos zu blockieren. Es folgt die zentrale Haltestelle dieser Ortschaft. Ihr gegenüber liegt eine verlassen wirkende Videothek, die durch ihre Plakate deutlich macht, dass es StevenSegall Seagal immer noch gibt. Meist döse ich zu diesem Zeitpunkt ein, da die nächsten Haltestellen in einem weiteren Gewerbegebiet liegen. Gewerbegebiete sind für mich unheimlich frustrierend, besonders am Morgen, wenn ich, übermüdet, sowieso die kleinste Wolke am Himmel zum Anlass für Depressionen nehme. Es geht vorbei an tegut, Avis, Carglass und Würth, zu einer Haltestelle vor unserer örtlichen Sparkasse. Mittags steigen dort immer unheimlich viele Auszubildende ein, die sich laut über ihre Ausbildung unterhalten. Sie reden und reden, während draußen der Wal-Mart vorbeizieht und diverse Imbissbuden passiert werden, bevor der Bus vor meinem Snookerspielort zum Stehen kommt. Der restliche Weg ist dann schon innerstädtisch, es geht eine Allee hinauf, dann hinunter, schließlich hält der Bus am Bahnhof. Hier steigen die meisten Fahrgäste aus. Vom Bahnhof fährt er endgültig in die Innenstadt, wo sein letzter Halt ist. Dann muss auch ich das Gefährt verlassen. Manchmal finde ich das schade.
Der erste Halt ist vor einem örtlichen Vertreter der REWE-Handelsgruppe. Der nächste ist vor einem Bürogebäude im Gewerbegebiet. Hier steigen eigentlich immer Leute ein. Die letzte Haltestelle unserer kleinen Ortschaft wird dagegen nicht so sehr genutzt. Hier steigt dafür aber manchmal ein alte Mann ein, der ein froschähnliches Gesicht hat, was vor allem an seinen desorientierten Glubschaugen liegt. Wenn ich morgens im Bus fahre und der alte Mann zusteigt, dann kann ich manchmal in seiner Bildzeitung mitlesen. Besondere Freude bereitet es mir dann, den Text über das Mädchen auf der Titelseite zu lesen ("Jana möchte nämlich einmal Model werden.").
Überhaupt ist es natürlich so, dass ich auf der Fahrt sehr häufig bekannte Gesichter sehe. Da ist zum Beispiel dieses Mädchen, dass ich von irgendwoher kenne. Ich weiß nur nicht, woher. Oder der alte Raucher mit der Jeansjacke, der so aussieht, als würde er nur deshalb Bus fahren, weil man ihm den Führerschein abgenommen hat. Doch zurück zur eigentlichen Fahrt.
Der Bus verlässt jetzt unsere Ortschaft und beschleunigt auf satte 70 km/h. Dann kommt er in die nächste Ortschaft, an deren Eingang eine Haltestelle ist, die eigentlich nie genutzt wird. Auch die nächste Haltestelle ist nicht sehr beliebt, aber der Bus hält trotzdem immer, um den Weg für die Autos zu blockieren. Es folgt die zentrale Haltestelle dieser Ortschaft. Ihr gegenüber liegt eine verlassen wirkende Videothek, die durch ihre Plakate deutlich macht, dass es Steven
Freitag, 23. September 2005
Schon der dreiundzwanzigste?
Ein sinnloser Besuch in der Innenstadt kann manchmal äußerst sinnvoll werden. Ganz ohne das man es erwartet. Heute zum Beispiel habe ich A. getroffen, die ich schon eine Weile nicht mehr gesehen habe, die auch nichts zu tun hatte und mit der ich dann zu Starbucks gegangen bin. Da sage noch einer, keine Verpflichtungen zu haben sei keine Freiheit...
Wir waren uns aber übrigens doch sehr einig darin, dass das Studium jetzt wirklich bald anfangen muss, damit es endlich mal wieder was zu tun gibt. Habe auch festgestellt, dass Politik im Moment ein äußerst beliebtes Gesprächsthema ist. Und dass die Partei meiner Wahl in der Tat beliebter ist, als ich dachte. Vielleicht sollte ich deshalb das nächste (nicht allzu ferne?) Mal eine andere Gruppierung vorziehen?
Das Buchgeschäft meines Vertrauens hat mir heute eine große Freude bereitet. Denn: Endlich gibt es das zweitneuesten Pratchettbuch ("Going Postal") auch als Paperback. Bisher war ich immer zu geizig, es zu kaufen. Jetzt bin ich aber schon sehr gespannt.
Zu geizig bin ich übrigens wirklich nur für gebundene Ausgaben. Ansonsten kurbele ich die Konjunktur an, so gut ich es kann.
Wie sicher schon aufgefallen ist, sieht es hier auf einmal anders aus. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Und rätsele vor allem noch darüber, wie man es schafft, sowohl im Internet Explorer als auch in Mozilla die gleiche Schriftgröße zu erreichen. Bisher hatte ich in Mozilla immer eine viel größere Schrift, jetzt habe ich "irgendetwas" geändert und nun ist es genau anders herum - Mozilla mit kleiner Schrift, IE mit großer. Leider bin ich zu müde, um dahinter wieder eine Verschwörung zu erkennen. Aber über Ratschläge, wie diesem Phänomen begegnet werden kann, würde ich mich sehr freuen.
Wir waren uns aber übrigens doch sehr einig darin, dass das Studium jetzt wirklich bald anfangen muss, damit es endlich mal wieder was zu tun gibt. Habe auch festgestellt, dass Politik im Moment ein äußerst beliebtes Gesprächsthema ist. Und dass die Partei meiner Wahl in der Tat beliebter ist, als ich dachte. Vielleicht sollte ich deshalb das nächste (nicht allzu ferne?) Mal eine andere Gruppierung vorziehen?
Das Buchgeschäft meines Vertrauens hat mir heute eine große Freude bereitet. Denn: Endlich gibt es das zweitneuesten Pratchettbuch ("Going Postal") auch als Paperback. Bisher war ich immer zu geizig, es zu kaufen. Jetzt bin ich aber schon sehr gespannt.
Zu geizig bin ich übrigens wirklich nur für gebundene Ausgaben. Ansonsten kurbele ich die Konjunktur an, so gut ich es kann.
Wie sicher schon aufgefallen ist, sieht es hier auf einmal anders aus. Ich weiß auch nicht, wie das passiert ist. Und rätsele vor allem noch darüber, wie man es schafft, sowohl im Internet Explorer als auch in Mozilla die gleiche Schriftgröße zu erreichen. Bisher hatte ich in Mozilla immer eine viel größere Schrift, jetzt habe ich "irgendetwas" geändert und nun ist es genau anders herum - Mozilla mit kleiner Schrift, IE mit großer. Leider bin ich zu müde, um dahinter wieder eine Verschwörung zu erkennen. Aber über Ratschläge, wie diesem Phänomen begegnet werden kann, würde ich mich sehr freuen.
Mittwoch, 21. September 2005
Die letzten vier Tage
Die letzten beiden Tage in Göttingen gewesen, meinem Bruder beim Streichen seiner neuen Wohnung geholfen. Am Tag davor auf das Wahlergebnis Reaktionen gezeigt, die ich eher von meinen Eltern erwartet hätte. Noch einen Tag früher auf einer unendlich dämlichen Abiturjahrgangswiedersehensparty gewesen.
Erkenntnisse:
- Die meisten Leute von damals sind auch weiterhin Idioten.
- Ich werde alt. Ich sollte nicht so alt werden.
- Schlimmer, als mit einer Schulklasse im selben Wagon eines Zuges zu sitzen (Hinfahrt), ist nur, mit einer Horde betrunkener Fußballfans im selben Wagon eines Zuges zu sitzen (Rückfahrt).
Erkenntnisse:
- Die meisten Leute von damals sind auch weiterhin Idioten.
- Ich werde alt. Ich sollte nicht so alt werden.
- Schlimmer, als mit einer Schulklasse im selben Wagon eines Zuges zu sitzen (Hinfahrt), ist nur, mit einer Horde betrunkener Fußballfans im selben Wagon eines Zuges zu sitzen (Rückfahrt).
Freitag, 16. September 2005
Die Kaiser Chiefs in Köln
// Everyday I love them more and more //
// Everyday I love them more and more //
Gestern Abend gastierten die Kaiser Chiefs aus Leeds in der Kölner Live Music Hall. Grund genug für S. (der für die leider verhinderte S. einsprang) und mich, den beschwerlichen Weg von Wiesbaden, über die Berge der A3, nach Köln anzutreten. Erstaunlicherweise fanden wir direkt den Weg, so dass wir gute 40 Minuten zu früh da waren. So konnten wir uns immerhin noch recht gute Plätze (etwa zehn Meter vor der Bühne) sichern.
Als um acht Uhr der Auftritt der Vorband Nine Black Alps begann, gefielen uns die Plätze schon nicht mehr so gut, denn die vier Briten spielten genau die Art von sinnlosem Lärm, die man in der 90ern „Alternative“ nannte und von der uns gerade die neue Welle britischer Musik, die auch die Kaiser Chiefs hervorbrachte, befreit hat. Bemerkenswert am uninspirierten Auftritt der Nine Black Alps war vor allem, dass sie nach jedem Song die Instrumente wechselten und doch jedes Mal genau gleich klangen. Später bei den Kaiser Chiefs war es anders herum: Niemand wechselte auch nur einmal ein Instrument und trotzdem klang jedes Lied aufregend und anders.
Als die Vorband, deren Sänger sich redlich mit der deutschen Sprache abmühte, aber nur Jubel ernten konnte, wenn er den Namen des Hauptacts brüllte, endlich das Feld geräumt hatte, folgte eine natürlich viel zu lange Umbauphase. Um uns herum wurde es jetzt immer enger. Irgendwann stand auf einmal eine Gruppe von Briten mit lustigen Polizistenhüten (wie auf dem Cover von „I Predict A Riot“) neben uns. Spätestens da fiel mir auf, dass überhaupt viele Briten da waren, die immer wieder Sprechchöre anstimmten: „Super, super Leeds United!“
Etwas nach neun Uhr betraten die Kaisers dann die Bühne. Ihrer erstes Stück war „Na Na Na Na Naa“, das einem auf dem Album zwar irgendwann auf die Nerven geht, live aber genau der Richtige Anfang war. Und dem von Beginn an charismatisch herumtobenden Ricky Wilson konnte man ohnehin nicht wiederstehen. Es folgten das großartige „Born To Be A Dancer“, bei dem ich mich dann schon völlige Unkenntnis des Textes nicht vom mitgrölen abhielt, „Saturday Night“, das ich mir dagegen auch live leider nicht erschließen konnte, und „Everyday I Love You Less And Less“. Der Song ist einfach ein Erlebnis für sich, besonders wenn man mitten in einer großen Menschenmasse steht, die „Oooooohhhh, my parents love me!“ singt.
Das Konzert war reich an lustigen und erinnerungswürdigen Momenten: Als Ricky fragte, wer denn alles aus Leeds da sei, war die Antwort kaum leiser als bei der Frage nach den Kölnern. Für „I Predict A Riot“ schnappte er sich einen der lustigen britischen Polizeihüte, bei einigen anderen Songs trug er eine schicke Krone und für ein Stück holte er eine begeisterte Zuschauerin auf die Bühne, mit der er das ganze Lied durchtanzte. Mehrmals warf Ricky sich auch ins Publikum. Peanut, der Keyboarder, hatte seinen großen Auftritt natürlich beim großartigen „Modern Way“. Das Set hatte insgesamt drei Lieder, die ich noch nicht kannte, verzichtete dafür aber leider auf einen meiner Favourites, „Time Honoured Tradition“. Ansonsten waren alle guten Lieder des Debütalbums „Employment“ vertreten.
Als der erste Teil mit „Oh My God“ zu Ende gegangen war, versuchten sich die britischen Zuschauer um uns herum am „Zugabe“-Sprechchor, was natürlich unheimlich komisch klang. Die Kaisers ließen sich nicht lange bitten, doch dummerweise hatte jemand Rickys Mikrofon bei einem seiner Ausflüge ins Publikum geklaut. So erlaubte sich dieser noch eine spaßige Verzögerung, fragte, wer sein Mikro habe und meinte in bester Oberlehrermanier, dass er den ganzen Tag Zeit habe. Als das Mikrofon partout nicht auftauchen wollte, gab er es auf und die Kaisers legten noch „Caroline, Yes“ nach. Zum Abschluss spielten sie das dritte mir unbekannte Lied des Abends, an dessen Ende Ricky Wilson wieder Crowdsurfing betrieb. Die übrigen Bandmitglieder verließen nach und nach die Bühne und auch Ricky verschwand auf mysteriöse Art und Weise, als er in der Mitte der Halle angekommen war.
Wir brauchten bestimmt zehn Minuten, um die Halle wieder zu verlassen, und auch die Rückfahrt kam mir nach dem energiegeladenen Auftritt der Kaisers unendlich lang vor. Aber gelohnt hat es sich allemal.
Was gibt es abschließend zu sagen? Das es toll war, natürlich. Die Kaiser Chiefs sind also auch live phänomenal und ein absolut gerechtfertigter Hype. Als Fazit bleibt: Super Leeds!
Als um acht Uhr der Auftritt der Vorband Nine Black Alps begann, gefielen uns die Plätze schon nicht mehr so gut, denn die vier Briten spielten genau die Art von sinnlosem Lärm, die man in der 90ern „Alternative“ nannte und von der uns gerade die neue Welle britischer Musik, die auch die Kaiser Chiefs hervorbrachte, befreit hat. Bemerkenswert am uninspirierten Auftritt der Nine Black Alps war vor allem, dass sie nach jedem Song die Instrumente wechselten und doch jedes Mal genau gleich klangen. Später bei den Kaiser Chiefs war es anders herum: Niemand wechselte auch nur einmal ein Instrument und trotzdem klang jedes Lied aufregend und anders.
Als die Vorband, deren Sänger sich redlich mit der deutschen Sprache abmühte, aber nur Jubel ernten konnte, wenn er den Namen des Hauptacts brüllte, endlich das Feld geräumt hatte, folgte eine natürlich viel zu lange Umbauphase. Um uns herum wurde es jetzt immer enger. Irgendwann stand auf einmal eine Gruppe von Briten mit lustigen Polizistenhüten (wie auf dem Cover von „I Predict A Riot“) neben uns. Spätestens da fiel mir auf, dass überhaupt viele Briten da waren, die immer wieder Sprechchöre anstimmten: „Super, super Leeds United!“
Etwas nach neun Uhr betraten die Kaisers dann die Bühne. Ihrer erstes Stück war „Na Na Na Na Naa“, das einem auf dem Album zwar irgendwann auf die Nerven geht, live aber genau der Richtige Anfang war. Und dem von Beginn an charismatisch herumtobenden Ricky Wilson konnte man ohnehin nicht wiederstehen. Es folgten das großartige „Born To Be A Dancer“, bei dem ich mich dann schon völlige Unkenntnis des Textes nicht vom mitgrölen abhielt, „Saturday Night“, das ich mir dagegen auch live leider nicht erschließen konnte, und „Everyday I Love You Less And Less“. Der Song ist einfach ein Erlebnis für sich, besonders wenn man mitten in einer großen Menschenmasse steht, die „Oooooohhhh, my parents love me!“ singt.
Das Konzert war reich an lustigen und erinnerungswürdigen Momenten: Als Ricky fragte, wer denn alles aus Leeds da sei, war die Antwort kaum leiser als bei der Frage nach den Kölnern. Für „I Predict A Riot“ schnappte er sich einen der lustigen britischen Polizeihüte, bei einigen anderen Songs trug er eine schicke Krone und für ein Stück holte er eine begeisterte Zuschauerin auf die Bühne, mit der er das ganze Lied durchtanzte. Mehrmals warf Ricky sich auch ins Publikum. Peanut, der Keyboarder, hatte seinen großen Auftritt natürlich beim großartigen „Modern Way“. Das Set hatte insgesamt drei Lieder, die ich noch nicht kannte, verzichtete dafür aber leider auf einen meiner Favourites, „Time Honoured Tradition“. Ansonsten waren alle guten Lieder des Debütalbums „Employment“ vertreten.
Als der erste Teil mit „Oh My God“ zu Ende gegangen war, versuchten sich die britischen Zuschauer um uns herum am „Zugabe“-Sprechchor, was natürlich unheimlich komisch klang. Die Kaisers ließen sich nicht lange bitten, doch dummerweise hatte jemand Rickys Mikrofon bei einem seiner Ausflüge ins Publikum geklaut. So erlaubte sich dieser noch eine spaßige Verzögerung, fragte, wer sein Mikro habe und meinte in bester Oberlehrermanier, dass er den ganzen Tag Zeit habe. Als das Mikrofon partout nicht auftauchen wollte, gab er es auf und die Kaisers legten noch „Caroline, Yes“ nach. Zum Abschluss spielten sie das dritte mir unbekannte Lied des Abends, an dessen Ende Ricky Wilson wieder Crowdsurfing betrieb. Die übrigen Bandmitglieder verließen nach und nach die Bühne und auch Ricky verschwand auf mysteriöse Art und Weise, als er in der Mitte der Halle angekommen war.
Wir brauchten bestimmt zehn Minuten, um die Halle wieder zu verlassen, und auch die Rückfahrt kam mir nach dem energiegeladenen Auftritt der Kaisers unendlich lang vor. Aber gelohnt hat es sich allemal.
Was gibt es abschließend zu sagen? Das es toll war, natürlich. Die Kaiser Chiefs sind also auch live phänomenal und ein absolut gerechtfertigter Hype. Als Fazit bleibt: Super Leeds!
Mittwoch, 14. September 2005
Kratzstimme ist Joschkas Stimme
Es ist viertel vor zwölf, als ich auf dem sonnigen Wiesbadener Luisenplatz eintreffe, um einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen beizuwohnen. Für zwölf Uhr hat sicher der Außenminister angekündigt, so dass ich nun noch eine Viertelstunde in den zweifelhaften Genuss einer Wahlkampfrede des Landtagsabgeordneten Tarek Al-Wazir komme. Ich verbringe die Zeit damit, mich auf dem gut gefüllten Platz umzusehen. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht ein paar bekannte Gesichter ausmachen könnte. Tatsächlich erblicke ich zwei Lehrer meiner ehemaligen Schule, beide mit ihren Klassen im Schlepptau. Überhaupt, es sind unheimlich viele Schüler da. Und viele Kinderwagen und Fahrräder. Geraucht wird hier auch mehr als zum Beispiel bei der Kohlveranstaltung.
Plötzlich, mitten während Al-Wazirs oppositionellem Roland-Koch-Bashing, erscheint Joschka Fischer auf der Bühne. Ich kriege es zuerst gar nicht mit, weil ich geistig abgeschaltet hatte. Das Publikum applaudiert begeistert und auf einmal fangen auch die Glocken der nahegelegenen Kirche zu läuten an. Al-Wazir, dem man ansieht, dass er gerne noch länger gesprochen hätte, muss sich jetzt kurz fassen. Er meint abschließend, dass dort, wo die CDU reagiert, es „nicht besser“ gehe. Super, jetzt weiß ich, wen ich wählen muss. Dann verschwindet Al-Wazir zusammen mit dem örtlichen grünen Direktkandidaten von der Bühne. Fischer duldet wohl niemanden neben sich, außer den Personenschützern und den Tontechnikern.
Das Publikum wird nach Al-Wazirs durchaus einleuchtend erscheinender Oppositionsrede (schließlich befinden sich die Grünen hier auf Landesebene in der Opposition) nun Zeuge einer deutlich weniger einleuchtenden Oppositionsrede des Obergrünen Fischer. Eine gute Viertelstunde fegt der Außenminister nur über die steuer- und gesundheitspolitischen Ideen von CDU und FDP hinweg. Ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, wie er es besser machen will. Bei den Steuern rühmt er sich nur des bereits geleisteten und wirft den anderen vor, selbst die berühmten 16 Jahre lang das komplizierte Steuerrecht verursacht zu haben. Vom aktuellen Gesundheitswesen zeigt sich Fischer sogar fest überzeugt, hier gibt es für ihn erst recht nichts zu verändern. Über eventuell nötige „Reformen“ (ein Wort, das ich mich einfach nur noch in Anführungszeichen zu gebrauchen getraue) verliert er keine Worte. Wenn man ihm so zuhört, glaubt man, dass eigentlich alles wunderbar sei, es aber leider die verrückten Neokonservativen gebe, die mit ihren wahnsinnigen Plänen alles kaputt machen wollen und die es zu stoppen gelte.
Zum Glück kommt Fischer nach einiger Zeit endlich zu seiner Paradedisziplin, der Außenpolitik. Hier kann er eigene Erfolge vorzeigen und muss nur hin und wieder auf den politischen Gegner einprügeln. Inhaltlich hat er viel Vernünftiges zu sagen, zum Beispiel zur „Globalisierung der Konflikte“, zum nahen Osten und zum internationalen Terrorismus. Er will sich zur Lösung dieser Probleme nicht auf den militärisch-sicherheitspolitischen Ansatz beschränken, sondern mit Diplomatie und Entwicklungshilfe nachhelfen, was mir gut gefällt und auch allgemein mit Beifall bedacht wird. Zum Ende hat er dann seine rhetorisch stärkste Phase, begünstigt durch einen einzelnen (!) Zwischenrufer, der gegen die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan wettert und vermutlich der Linkspartei anhängt. Fischer gibt den großen Demokraten, indem er den Mann fragt, was denn seine Meinung sei. Dann fällt es ihm natürlich leicht, dagegen zu argumentieren und noch leichter, die Zuhörer auf seine Seite zu ziehen. Zum Schluss bekundet er laut, dass er die Stimme des enttäuschten Zwischenrufers bei der Wahl nicht wolle.
Nach Fischers Aufruf ans Wahlvolk, die Zweitstimme – „zum Mitschreiben, die Zweitstimme“ (den Gag habe ich bis jetzt noch nicht verstanden) – den Grünen zu geben, gibt es viel Applaus und Gewinke. Natürlich ist Fischer wieder völlig durchgeschwitzt. Ich freue mich schon darauf, ihn in vier Jahren wieder zu hören, und bin schon sehr gespannt, ob seine Rede dann wieder so einen oppositionellen Touch haben wird.
Plötzlich, mitten während Al-Wazirs oppositionellem Roland-Koch-Bashing, erscheint Joschka Fischer auf der Bühne. Ich kriege es zuerst gar nicht mit, weil ich geistig abgeschaltet hatte. Das Publikum applaudiert begeistert und auf einmal fangen auch die Glocken der nahegelegenen Kirche zu läuten an. Al-Wazir, dem man ansieht, dass er gerne noch länger gesprochen hätte, muss sich jetzt kurz fassen. Er meint abschließend, dass dort, wo die CDU reagiert, es „nicht besser“ gehe. Super, jetzt weiß ich, wen ich wählen muss. Dann verschwindet Al-Wazir zusammen mit dem örtlichen grünen Direktkandidaten von der Bühne. Fischer duldet wohl niemanden neben sich, außer den Personenschützern und den Tontechnikern.
Das Publikum wird nach Al-Wazirs durchaus einleuchtend erscheinender Oppositionsrede (schließlich befinden sich die Grünen hier auf Landesebene in der Opposition) nun Zeuge einer deutlich weniger einleuchtenden Oppositionsrede des Obergrünen Fischer. Eine gute Viertelstunde fegt der Außenminister nur über die steuer- und gesundheitspolitischen Ideen von CDU und FDP hinweg. Ohne auch nur ein einziges Wort darüber zu verlieren, wie er es besser machen will. Bei den Steuern rühmt er sich nur des bereits geleisteten und wirft den anderen vor, selbst die berühmten 16 Jahre lang das komplizierte Steuerrecht verursacht zu haben. Vom aktuellen Gesundheitswesen zeigt sich Fischer sogar fest überzeugt, hier gibt es für ihn erst recht nichts zu verändern. Über eventuell nötige „Reformen“ (ein Wort, das ich mich einfach nur noch in Anführungszeichen zu gebrauchen getraue) verliert er keine Worte. Wenn man ihm so zuhört, glaubt man, dass eigentlich alles wunderbar sei, es aber leider die verrückten Neokonservativen gebe, die mit ihren wahnsinnigen Plänen alles kaputt machen wollen und die es zu stoppen gelte.
Zum Glück kommt Fischer nach einiger Zeit endlich zu seiner Paradedisziplin, der Außenpolitik. Hier kann er eigene Erfolge vorzeigen und muss nur hin und wieder auf den politischen Gegner einprügeln. Inhaltlich hat er viel Vernünftiges zu sagen, zum Beispiel zur „Globalisierung der Konflikte“, zum nahen Osten und zum internationalen Terrorismus. Er will sich zur Lösung dieser Probleme nicht auf den militärisch-sicherheitspolitischen Ansatz beschränken, sondern mit Diplomatie und Entwicklungshilfe nachhelfen, was mir gut gefällt und auch allgemein mit Beifall bedacht wird. Zum Ende hat er dann seine rhetorisch stärkste Phase, begünstigt durch einen einzelnen (!) Zwischenrufer, der gegen die Einsätze im Kosovo und in Afghanistan wettert und vermutlich der Linkspartei anhängt. Fischer gibt den großen Demokraten, indem er den Mann fragt, was denn seine Meinung sei. Dann fällt es ihm natürlich leicht, dagegen zu argumentieren und noch leichter, die Zuhörer auf seine Seite zu ziehen. Zum Schluss bekundet er laut, dass er die Stimme des enttäuschten Zwischenrufers bei der Wahl nicht wolle.
Nach Fischers Aufruf ans Wahlvolk, die Zweitstimme – „zum Mitschreiben, die Zweitstimme“ (den Gag habe ich bis jetzt noch nicht verstanden) – den Grünen zu geben, gibt es viel Applaus und Gewinke. Natürlich ist Fischer wieder völlig durchgeschwitzt. Ich freue mich schon darauf, ihn in vier Jahren wieder zu hören, und bin schon sehr gespannt, ob seine Rede dann wieder so einen oppositionellen Touch haben wird.
Samstag, 10. September 2005
The Brain works in mysterious ways
In meiner Schulzeit – ach, ist das toll, das klingt, als sei es schon ewig her... In meiner Schulzeit also war ich eine Zeit lang ein Wenig in A. verliebt. Nur ein Wenig, weil ich sie gar nicht so recht kannte. Sie wirkte nur immer so unglaublich intelligent und empfindsam, denn sie hatte dieses zurückhaltende Lächeln, zugleich aber auch diese leicht traurigen Augen, die auf schüchterne Zeitgenossen wie mich so viel Eindruck machen können. In ihren traurigen Blick konnte ich unendlich viel hineininterpretieren und so wurde sie für mich schnell zum liebenswertesten, sensibelsten und vor allem intelligentesten Mädchen in meiner Umgebung. Das war natürlich nur diese Art von Projektionismus, die zur Zeit von Wir sind Helden in „Nur Ein Wort“ besungen wird. Womit ich nicht sagen will, dass A. nicht liebenswert und sensibel und intelligent gewesen wäre. Hätte ich mir aber die Mühe gemacht, sie wirklich kennenzulernen, hätte ich wohl nur feststellen können, dass sie es auf eine Art war, mit der ich nichts hätte anfangen können. So viel Einsicht habe ich heute entwickelt.
Neulich habe ich nun aber von A. geträumt. Das war an sich schon merkwürdig, weil ich A. sicherlich seit mehr als zwei Monaten nicht mehr gesehen habe und ich mich auch an nichts erinnern könnte, was sie mir in Erinnerung gerufen haben könnte. Merkwürdig war auch der Inhalt des Traumes: Zwar kann ich mich - so ist das nun einmal bei Träumen - nicht mehr genau an die Worte erinnern, aber ich weiß noch, dass A. und ich auf einer Party einen Dialog führten, wie ihn sich nur ein Drehbuchautor für eine romantische Liebeskomödie hätte einfallen lassen können. Was ich noch genau erinnere, ist, dass sie mich am Ende fragte, ob wir uns nicht wieder treffen wollen und ich lachend meinte, dass es gut sei, dass sie gefragt habe.
Ganz schön kitschig. Gut, dass ich nicht ihre Telefonnummer habe. Sonst wäre ich am Tag nach dem Traum noch auf dumme Gedanken gekommen.
Neulich habe ich nun aber von A. geträumt. Das war an sich schon merkwürdig, weil ich A. sicherlich seit mehr als zwei Monaten nicht mehr gesehen habe und ich mich auch an nichts erinnern könnte, was sie mir in Erinnerung gerufen haben könnte. Merkwürdig war auch der Inhalt des Traumes: Zwar kann ich mich - so ist das nun einmal bei Träumen - nicht mehr genau an die Worte erinnern, aber ich weiß noch, dass A. und ich auf einer Party einen Dialog führten, wie ihn sich nur ein Drehbuchautor für eine romantische Liebeskomödie hätte einfallen lassen können. Was ich noch genau erinnere, ist, dass sie mich am Ende fragte, ob wir uns nicht wieder treffen wollen und ich lachend meinte, dass es gut sei, dass sie gefragt habe.
Ganz schön kitschig. Gut, dass ich nicht ihre Telefonnummer habe. Sonst wäre ich am Tag nach dem Traum noch auf dumme Gedanken gekommen.
Donnerstag, 8. September 2005
Und sie haben ein Idol
Im Vorprogramm der CDU-Wahlkampfveranstaltung am Dienstag in Wiesbaden spielte eine Band New-Orleans-Jazz. Ich will mit dieser Eingangsbemerkung keineswegs behaupten, dass dies in den heutigen Tagen politisch inkorrekt gewesen wäre, es war nur sehr laut und machte Gespräche unter den gespannt wartenden Parteifreunden nahezu unmöglich. Gespannte Erwartungshaltung war übrigens allemal geboten, hatte sich doch der Größte angekündigt, den die CDU zu bieten hat.
Der Jazz hatte dann auch zu verstummen, als kurz nach sieben Uhr der Ex-Vorsitzende und Ex-Ehrenvorsitzende der Christdemokraten, der frühe Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident und „Kanzler der Deutschen Einheit“ auf dem Luisenplatz unserer schmucken Landeshauptstadt eintraf, um einige Worte an die „lieben Freunde“ zu richten. Zu pompösen Fanfarenklängen marschierte Helmut Kohl, der übrigens tatsächlich so groß und so dick ist, wie er im Fernsehen wirkt, händeschüttelnd mitsamt Anhang auf das komplementär-orange-dunkelblau-gefärbte und mit Angela Merkel plakatierte Podium der CDU Hessen. Dabei wäre auch mir fast die Ehre zuteil geworden, die Hand des Altkanzlers zu schütteln. Doch kurz bevor er an meinem Platz vorbeikam (welcher übrigens dank der Parteimitgliedschaft meines Vaters innerhalb des abgesperrten Bereichs mitten unter den CDU-Anhängern lag und praktischerweise mit einer Bierbank ausgestattet war), schlug er einen anderen Weg ein. Bestimmt fünf Minuten dauerte es, bis „der dicke Kohl“ (so nennt ihn immer meine Oma) tatsächlich auf der Bühne seinen Platz eingenommen hatte, um sich vom Wahlvolk mit „Helmut, Helmut“-Rufen feiern zu lassen. Ganz kurz zeigte er sogar dieses süße Hände-zusammenlegen-und-über-dem-Kopf-schütteln, das er als Geste des Triumphes so unnachahmlich kann wie kein anderer. Insgesamt rund zehn verdiente Persönlichkeiten der CDU Hessen und Wiesbaden stellten sich neben ihr Idol auf die Bühne, die meisten kannte ich aber nicht.
Zuerst sprach der Spitzenkandidat für Hessen, Dr. Franz Josef Jung. Von seiner kurzen Rede blieb mir nichts in Erinnerung. Ihm folgte Kristina Köhler, die CDU-Direktkandidatin für Wiesbaden. Von ihrer Ansprache weiß ich immerhin noch, dass sie Kohl beständig ansah und ihm erzählte, dass sie nur wegen ihm in die Junge Union eingetreten sei, dass Kohl selbst aber nur stur in die Menschenmenge vor ihm schaute. Wegen dem Geplänkel der lokalen Kandidaten war natürlich niemand gekommen, entsprechend kurz hielten sich die beiden auch.
Und dann war SEINE Stunde gekommen. Kohl trat ans Rednerpult und begrüßte die Parteifreunde, aber auch die Vertreter des politischen Gegners, welche zwar nicht so zahlreich erschienen waren, wie zu Kohls großen Zeiten, jedoch keineswegs an Kreativität eingebüßt hatten: Ihre Plakate, auf denen Kohl in einer buddhistischen Mönchskutte abgebildet war, luden durchaus zum Lachen ein. Schließlich stand unter dem Bild: „Kohl droht mit Wiedergeburt.“
In den nächsten fünfzig Minuten redete Kohl viel über die Notwendigkeit eines Richtungswechsels in der Politik (begleitet von pflichtschuldigem emporrecken der „Wechsel wählen!“-Schilder durch das Parteivolk), von der Deutschen Einheit, von Europa, von der Nachkriegszeit, vom „linken Pöbel“ und den Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur einmal erwähnte er Angela Merkel (begleitet von pflichtschuldigem emporrecken der „Angie“-Schilder durch das Parteivolk), dafür aber umso öfter die „großen Lügen der Linken“. Trotz der vielen Aufrufe zum „Anpacken“ und „Schaffen“ geriet der Abend zum größten Teil zu einer Nostalgieveranstaltung. Die Parteiseele freute sich einfach noch einmal, ihren alten Meister zu sehen.
Vor mir saß ein älterer Mann, der es für nötig hielt, jedes Mal zu nicken, wenn er Kohl zustimmte. Komischerweise war dies eigentlich nach jedem Satz der Fall. Kohl sagte einfach nichts, dem man ernsthaft hätte widersprechen können. Und so war seine ganze Rede eigentlich eine Feierstunde für die „alte CDU“.
Bevor mir hier jemand widersprechen will, weil er meint, es gäbe keine „neue CDU“, will ich erläutern, was ich damit meine. Ich habe da nämlich eine Theorie. Es ist meiner Meinung nach so, dass der größte Teil der CDU-Basis (sicherlich auch der alte Mann, der vor mir saß) der SPD näher steht als dem von der Parteiführung gewünschten Koalitionspartner FDP. Die CDU-Führung, vor allem Angela Merkel selbst, ist sehr neoliberal ausgerichtet und plant im Falle eines Wahlsieges das, was heute in dem schwammigen Wort der Reform zusammengefasst wird. Viele alte Parteimitglieder (z.B. Rentner, die in diesem Fall mit Kürzungen rechnen müssen) können damit aber nichts anfangen. Das weiß auch Kohl, der keinesfalls jemanden verprellen wollte und sich entsprechend allgemeingültig ausdrückte. Denn wer kann schon etwas dagegen haben, „die Dinge anzupacken“?
Die meiste Zeit redete Kohl ohnehin nicht über die Tagespolitik, sondern über die Deutsche Einheit. Hier fühlte er sich sichtlich wohl und hier hatte er sein Publikum auch ganz bei sich. Seine Hauptbotschaften: Die Linken wollten die Einheit nicht und die blühenden Landschaften haben etwas länger gebraucht. Aber es gebe sie, man müsse nur einmal nach Thüringen oder Sachsen fahren, meinte Kohl.
Dem Altbundeskanzler merkt man sein Alter mittlerweile an. Immer wieder verhedderte er sich in seiner Rhetorik oder sprach von der „Wahl in acht Tagen“. Am Schluss meinte er dann, wir sollten alle die Ärmel „hochklettern“, verbesserte sich dann immerhin noch zu „hochklappen“. Immerhin kamen seine kleinen Witzchen über den politischen Gegner noch gut an.
Als Kohl fertig war, sprang ein Vertreter der CDU Wiesbaden ans Mikrofon. Er bellte Dankesworte zu seinem ehemaligen Vorsitzenden und ins Publikum, erinnerte noch einmal daran, wen wir wählen sollen und bat zum Singen der Nationalhymne. Der Typ ging mir fürchterlich auf die Nerven, vor allem, weil er dann auch noch ins eingeschaltete Mikrofon sang. Zum Glück schaltete es ihm jemand ab. Am Ende blühte also das Deutsche Vaterland, genauso wie seine östlichen Landschaften. Die Kundgebung war geschlossen und ich ging mit gemischten Gefühlen nach Hause.
Der Jazz hatte dann auch zu verstummen, als kurz nach sieben Uhr der Ex-Vorsitzende und Ex-Ehrenvorsitzende der Christdemokraten, der frühe Rheinland-Pfälzische Ministerpräsident und „Kanzler der Deutschen Einheit“ auf dem Luisenplatz unserer schmucken Landeshauptstadt eintraf, um einige Worte an die „lieben Freunde“ zu richten. Zu pompösen Fanfarenklängen marschierte Helmut Kohl, der übrigens tatsächlich so groß und so dick ist, wie er im Fernsehen wirkt, händeschüttelnd mitsamt Anhang auf das komplementär-orange-dunkelblau-gefärbte und mit Angela Merkel plakatierte Podium der CDU Hessen. Dabei wäre auch mir fast die Ehre zuteil geworden, die Hand des Altkanzlers zu schütteln. Doch kurz bevor er an meinem Platz vorbeikam (welcher übrigens dank der Parteimitgliedschaft meines Vaters innerhalb des abgesperrten Bereichs mitten unter den CDU-Anhängern lag und praktischerweise mit einer Bierbank ausgestattet war), schlug er einen anderen Weg ein. Bestimmt fünf Minuten dauerte es, bis „der dicke Kohl“ (so nennt ihn immer meine Oma) tatsächlich auf der Bühne seinen Platz eingenommen hatte, um sich vom Wahlvolk mit „Helmut, Helmut“-Rufen feiern zu lassen. Ganz kurz zeigte er sogar dieses süße Hände-zusammenlegen-und-über-dem-Kopf-schütteln, das er als Geste des Triumphes so unnachahmlich kann wie kein anderer. Insgesamt rund zehn verdiente Persönlichkeiten der CDU Hessen und Wiesbaden stellten sich neben ihr Idol auf die Bühne, die meisten kannte ich aber nicht.
Zuerst sprach der Spitzenkandidat für Hessen, Dr. Franz Josef Jung. Von seiner kurzen Rede blieb mir nichts in Erinnerung. Ihm folgte Kristina Köhler, die CDU-Direktkandidatin für Wiesbaden. Von ihrer Ansprache weiß ich immerhin noch, dass sie Kohl beständig ansah und ihm erzählte, dass sie nur wegen ihm in die Junge Union eingetreten sei, dass Kohl selbst aber nur stur in die Menschenmenge vor ihm schaute. Wegen dem Geplänkel der lokalen Kandidaten war natürlich niemand gekommen, entsprechend kurz hielten sich die beiden auch.
Und dann war SEINE Stunde gekommen. Kohl trat ans Rednerpult und begrüßte die Parteifreunde, aber auch die Vertreter des politischen Gegners, welche zwar nicht so zahlreich erschienen waren, wie zu Kohls großen Zeiten, jedoch keineswegs an Kreativität eingebüßt hatten: Ihre Plakate, auf denen Kohl in einer buddhistischen Mönchskutte abgebildet war, luden durchaus zum Lachen ein. Schließlich stand unter dem Bild: „Kohl droht mit Wiedergeburt.“
In den nächsten fünfzig Minuten redete Kohl viel über die Notwendigkeit eines Richtungswechsels in der Politik (begleitet von pflichtschuldigem emporrecken der „Wechsel wählen!“-Schilder durch das Parteivolk), von der Deutschen Einheit, von Europa, von der Nachkriegszeit, vom „linken Pöbel“ und den Trümmerfrauen nach dem Zweiten Weltkrieg. Nur einmal erwähnte er Angela Merkel (begleitet von pflichtschuldigem emporrecken der „Angie“-Schilder durch das Parteivolk), dafür aber umso öfter die „großen Lügen der Linken“. Trotz der vielen Aufrufe zum „Anpacken“ und „Schaffen“ geriet der Abend zum größten Teil zu einer Nostalgieveranstaltung. Die Parteiseele freute sich einfach noch einmal, ihren alten Meister zu sehen.
Vor mir saß ein älterer Mann, der es für nötig hielt, jedes Mal zu nicken, wenn er Kohl zustimmte. Komischerweise war dies eigentlich nach jedem Satz der Fall. Kohl sagte einfach nichts, dem man ernsthaft hätte widersprechen können. Und so war seine ganze Rede eigentlich eine Feierstunde für die „alte CDU“.
Bevor mir hier jemand widersprechen will, weil er meint, es gäbe keine „neue CDU“, will ich erläutern, was ich damit meine. Ich habe da nämlich eine Theorie. Es ist meiner Meinung nach so, dass der größte Teil der CDU-Basis (sicherlich auch der alte Mann, der vor mir saß) der SPD näher steht als dem von der Parteiführung gewünschten Koalitionspartner FDP. Die CDU-Führung, vor allem Angela Merkel selbst, ist sehr neoliberal ausgerichtet und plant im Falle eines Wahlsieges das, was heute in dem schwammigen Wort der Reform zusammengefasst wird. Viele alte Parteimitglieder (z.B. Rentner, die in diesem Fall mit Kürzungen rechnen müssen) können damit aber nichts anfangen. Das weiß auch Kohl, der keinesfalls jemanden verprellen wollte und sich entsprechend allgemeingültig ausdrückte. Denn wer kann schon etwas dagegen haben, „die Dinge anzupacken“?
Die meiste Zeit redete Kohl ohnehin nicht über die Tagespolitik, sondern über die Deutsche Einheit. Hier fühlte er sich sichtlich wohl und hier hatte er sein Publikum auch ganz bei sich. Seine Hauptbotschaften: Die Linken wollten die Einheit nicht und die blühenden Landschaften haben etwas länger gebraucht. Aber es gebe sie, man müsse nur einmal nach Thüringen oder Sachsen fahren, meinte Kohl.
Dem Altbundeskanzler merkt man sein Alter mittlerweile an. Immer wieder verhedderte er sich in seiner Rhetorik oder sprach von der „Wahl in acht Tagen“. Am Schluss meinte er dann, wir sollten alle die Ärmel „hochklettern“, verbesserte sich dann immerhin noch zu „hochklappen“. Immerhin kamen seine kleinen Witzchen über den politischen Gegner noch gut an.
Als Kohl fertig war, sprang ein Vertreter der CDU Wiesbaden ans Mikrofon. Er bellte Dankesworte zu seinem ehemaligen Vorsitzenden und ins Publikum, erinnerte noch einmal daran, wen wir wählen sollen und bat zum Singen der Nationalhymne. Der Typ ging mir fürchterlich auf die Nerven, vor allem, weil er dann auch noch ins eingeschaltete Mikrofon sang. Zum Glück schaltete es ihm jemand ab. Am Ende blühte also das Deutsche Vaterland, genauso wie seine östlichen Landschaften. Die Kundgebung war geschlossen und ich ging mit gemischten Gefühlen nach Hause.
Donnerstag, 1. September 2005
Sollten weniger lang schlafen
Letzte Nacht vor dem Einschlafen. Ich habe eine Idee für einen Text, liege aber schon im Bett. Auf meinen Schultern (vielmehr: auf meiner einen Schulter, ich schlafe nämlich immer auf der Seite) erscheinen der faule TEUFEL und der fleißige ENGEL. Sie zanken sich darüber, ob ich die Idee niederschreiben soll.
TEUFEL: Schlafe nur weiter, mein Junge. Die Idee hast du morgen auch noch.
ENGEL: Nein, schreibe sie auf, sonst vergisst du sie.
ICH: Ja, im Vergessen bin ich gut. Es wäre besser, wenn ich mir eine Notiz mache.
ENGEL: (zum TEUFEL) Siehst du, er schreibt sie auf. Er schreibt sie auf. Nänänänänäääää.
Ich sollte anmerken, dass sich Engelchen und Teufelchen nicht immer ganz altersgerecht benehmen. Vielleicht wäre ein Gespräch mit meinem Therapeuten angebracht.
TEUFEL: Nein, bleib liegen. Schlafen ist doch viel besser als kreativ sein.
ICH: Da hast du allerdings recht. Ich bin auch schon ganz müääääde... (schläft langsam ein)
TEUFEL: (laut und freudig) Ha! Er schläft ein. Ich hab gewonnen, du hast verloren. (streckt dem ENGEL die Zunge raus)
ICH: (schreckt aus Halbschlaf hoch) Nein, halt, erst sollte ich meine Idee aufschreiben.
ENGEL: Ja, genau. Idee aufschreiben, Idee aufschreiben.
Mein ENGEL weiß wohl manchmal auch nicht, was er sagen soll.
TEUFEL: (teuflisch) Aber wenn die Idee gar nicht so gut ist...
ENGEL: Nein, sie ist bestimmt spitze. Du darfst sie auf keinen Fall vergessen.
ICH: Gäääähn. Vielleicht hat der Teufel Recht. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist die Idee wirklich nicht gut.
TEUFEL: Genau, genau. Und du bist doch schon ganz schläfrig. So schläfrig.
ENGEL: Nein, nicht einschlafen.
ICH: (im Einschlafen) Muss mir Idee merken... (entschwebt ins Reich der Träume)
Heute morgen war dann nur noch die Erinnerung an eine große Idee geblieben. Der TEUFEL hat mich noch beim Frühstück ausgelacht. Ich sollte nicht mehr auf ihn hören.
TEUFEL: Schlafe nur weiter, mein Junge. Die Idee hast du morgen auch noch.
ENGEL: Nein, schreibe sie auf, sonst vergisst du sie.
ICH: Ja, im Vergessen bin ich gut. Es wäre besser, wenn ich mir eine Notiz mache.
ENGEL: (zum TEUFEL) Siehst du, er schreibt sie auf. Er schreibt sie auf. Nänänänänäääää.
Ich sollte anmerken, dass sich Engelchen und Teufelchen nicht immer ganz altersgerecht benehmen. Vielleicht wäre ein Gespräch mit meinem Therapeuten angebracht.
TEUFEL: Nein, bleib liegen. Schlafen ist doch viel besser als kreativ sein.
ICH: Da hast du allerdings recht. Ich bin auch schon ganz müääääde... (schläft langsam ein)
TEUFEL: (laut und freudig) Ha! Er schläft ein. Ich hab gewonnen, du hast verloren. (streckt dem ENGEL die Zunge raus)
ICH: (schreckt aus Halbschlaf hoch) Nein, halt, erst sollte ich meine Idee aufschreiben.
ENGEL: Ja, genau. Idee aufschreiben, Idee aufschreiben.
Mein ENGEL weiß wohl manchmal auch nicht, was er sagen soll.
TEUFEL: (teuflisch) Aber wenn die Idee gar nicht so gut ist...
ENGEL: Nein, sie ist bestimmt spitze. Du darfst sie auf keinen Fall vergessen.
ICH: Gäääähn. Vielleicht hat der Teufel Recht. Wenn ich so darüber nachdenke, dann ist die Idee wirklich nicht gut.
TEUFEL: Genau, genau. Und du bist doch schon ganz schläfrig. So schläfrig.
ENGEL: Nein, nicht einschlafen.
ICH: (im Einschlafen) Muss mir Idee merken... (entschwebt ins Reich der Träume)
Heute morgen war dann nur noch die Erinnerung an eine große Idee geblieben. Der TEUFEL hat mich noch beim Frühstück ausgelacht. Ich sollte nicht mehr auf ihn hören.
Donnerstag, 18. August 2005
Mein Leben hat wieder einen Sinn. Eurosport überträgt die Northern Ireland Trophy der Snookerprofis. Wie ich es genoss, gestern, leise wegzudämmern, beim Spiel zweier Typen, die mich nicht im geringsten interessieren. Und wie ich mich schon darauf freue, wieder zitternd wie ein nervöses Drogenwrack vor dem Fernseher zu sitzen, wenn die Spieler an der Reihe sind, die mich dann wirklich interessieren. Es wird großartig.
Noch bis Sonntag, jeweils von 14-17 Uhr und manchmal auch von 20-23 Uhr. Auf Eurosport.
Noch bis Sonntag, jeweils von 14-17 Uhr und manchmal auch von 20-23 Uhr. Auf Eurosport.
Sonntag, 7. August 2005
Es regnet Hunde und Katzen
So ein richtiger Regenprassel, das ist schon etwas Großartiges. Für einen richtigen Regenprassel lasse ich glatt ein gutes Buch liegen. Und stelle mich ans Fenster, um ihn zu beobachten. Im Regenprassel zu laufen macht natürlich keinen Spaß, das sehe ich ein. Toll zum Laufen ist leichter Niesel. Aber der ist zum Anschauen natürlich völlig ungeeignet. Nein, anschauen kann ich mir nur einen richtig schönen Regenprassel, einen ordentlichen Schauer, am liebsten noch mit fernem Donnergrollen.
So ein Prassel, der dauert nie besonders lange. Drei, höchstens vier Minuten und es ist vorbei, dann bleibt höchstens noch ein kräftiger Niesel übrig, der, wie bereits erwähnt, rein optisch überhaupt keinen Wert hat. Niesel anschauen ist total langweilig. Prassel anschauen dagegen ist der Wahnsinn. Douglas Adams hat in einem seiner Bücher einen Lastwagenfahrer auftreten lassen, der vom Regen verfolgt wird. Der Fahrer hatte den verschiedenen Regenarten Nummern zugeordnet und dachte die ganze Zeit an nichts anderes, als an seinen Hass auf den Regen. Ich kann das gar nicht verstehen. Regen gehört für mich zu den schönsten Dingen des Lebens. Deshalb kenne ich auch nichts Schöneres, als den kräftigen, Blätter zum Schaukeln bringenden, Regenwürmer hervorlockenden, laut aufschlagenden Regen eines Regenprassels.
Eben war hier ein solcher Regenprassel, also ließ ich mein gutes Buch liegen und schaute hinaus, wo das Schauspiel seinen Lauf nahm. Plötzlich schlug irgendwo in der Nähe ein Blitz ein und auf einmal, mit einem zeitlichen Abstand, der einen kausalen Zusammenhang nahelegt, ohne dass ein solcher sich erklären ließe, ertönte einer unserer famosen Rauchmelder. Da war es dann vorbei mit der Herrlichkeit der Regenprasselbetrachtung und ich musste weg vom Fenster, um den Rauchmelder zum Schweigen zu bringen. Rasch stieg ich auf einen Drehstuhl, holte den Rauchmelder von der Decke und nahm eine der Batterien hinaus. Der Lärm war vorbei, doch der Regenprassel leider auch.
Unsere Rauchmelder sind übrigens ein Produkt medial geschürter Ängste. Mein Vater hat vor einiger Zeit eine dieser entsetzlichen Reportagen in einem dieser entsetzlichen Reportagemagazine gesehen. In dieser Reportage wurde auf die „enormen Gefahren“ hingewiesen, die durch den „fahrlässigen“ Verzicht auf Rauchmelder in privaten Haushalten erwüchsen. Meine gutdurchdachten Einwände, wir bräuchten solche Geräte nicht, weil es bei uns bisher auch nie gebrannt hat, ließ mein Vater nicht gelten und es dauerte nicht lange, bis wir uns in der vom Reportagemagazin empfohlenen Art und Weise vor unserem sicheren „qualvollen Erstickungs- und Feuertod“ abgesichert hatten.
Schlauerweise verzichteten wir in der Küche auf ein solches Gerät. Nur so ist zu erklären, dass uns das Rauchmelderpiepen nicht jeden Tag, sondern etwa nur einmal im Monat erschreckt, immer dann, wenn besonders fette Steaks auf dem Speiseplan stehen, deren Zubereitung so viel Dampf verursacht, dass dann sogar der Rauchmelder im Wohnzimmer darauf reagiert.
Ich glaube ja, dass ein Regenmelder eine viel bessere Erfindung wäre. Dank eines solchen Gerätes würde ich keinen Regenprassel mehr verpassen.
Ich bitte darum, dass Sie, werte Leser, wohlwollend in Erinnerung behalten, dass ich diesen kleinen Text nicht mit dem Titel „Smoke On The Water“ versehen habe.
So ein Prassel, der dauert nie besonders lange. Drei, höchstens vier Minuten und es ist vorbei, dann bleibt höchstens noch ein kräftiger Niesel übrig, der, wie bereits erwähnt, rein optisch überhaupt keinen Wert hat. Niesel anschauen ist total langweilig. Prassel anschauen dagegen ist der Wahnsinn. Douglas Adams hat in einem seiner Bücher einen Lastwagenfahrer auftreten lassen, der vom Regen verfolgt wird. Der Fahrer hatte den verschiedenen Regenarten Nummern zugeordnet und dachte die ganze Zeit an nichts anderes, als an seinen Hass auf den Regen. Ich kann das gar nicht verstehen. Regen gehört für mich zu den schönsten Dingen des Lebens. Deshalb kenne ich auch nichts Schöneres, als den kräftigen, Blätter zum Schaukeln bringenden, Regenwürmer hervorlockenden, laut aufschlagenden Regen eines Regenprassels.
Eben war hier ein solcher Regenprassel, also ließ ich mein gutes Buch liegen und schaute hinaus, wo das Schauspiel seinen Lauf nahm. Plötzlich schlug irgendwo in der Nähe ein Blitz ein und auf einmal, mit einem zeitlichen Abstand, der einen kausalen Zusammenhang nahelegt, ohne dass ein solcher sich erklären ließe, ertönte einer unserer famosen Rauchmelder. Da war es dann vorbei mit der Herrlichkeit der Regenprasselbetrachtung und ich musste weg vom Fenster, um den Rauchmelder zum Schweigen zu bringen. Rasch stieg ich auf einen Drehstuhl, holte den Rauchmelder von der Decke und nahm eine der Batterien hinaus. Der Lärm war vorbei, doch der Regenprassel leider auch.
Unsere Rauchmelder sind übrigens ein Produkt medial geschürter Ängste. Mein Vater hat vor einiger Zeit eine dieser entsetzlichen Reportagen in einem dieser entsetzlichen Reportagemagazine gesehen. In dieser Reportage wurde auf die „enormen Gefahren“ hingewiesen, die durch den „fahrlässigen“ Verzicht auf Rauchmelder in privaten Haushalten erwüchsen. Meine gutdurchdachten Einwände, wir bräuchten solche Geräte nicht, weil es bei uns bisher auch nie gebrannt hat, ließ mein Vater nicht gelten und es dauerte nicht lange, bis wir uns in der vom Reportagemagazin empfohlenen Art und Weise vor unserem sicheren „qualvollen Erstickungs- und Feuertod“ abgesichert hatten.
Schlauerweise verzichteten wir in der Küche auf ein solches Gerät. Nur so ist zu erklären, dass uns das Rauchmelderpiepen nicht jeden Tag, sondern etwa nur einmal im Monat erschreckt, immer dann, wenn besonders fette Steaks auf dem Speiseplan stehen, deren Zubereitung so viel Dampf verursacht, dass dann sogar der Rauchmelder im Wohnzimmer darauf reagiert.
Ich glaube ja, dass ein Regenmelder eine viel bessere Erfindung wäre. Dank eines solchen Gerätes würde ich keinen Regenprassel mehr verpassen.
Ich bitte darum, dass Sie, werte Leser, wohlwollend in Erinnerung behalten, dass ich diesen kleinen Text nicht mit dem Titel „Smoke On The Water“ versehen habe.
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