Stolz und Vorurteil
Manchmal stört es mich ja, dass sich Menschen manchmal rein nach ihrem Äußeren beurteilen lassen. Dass man sie nach ihrem Erscheinungsbild in eine Schublade stecken kann und nie wieder in diese Schublade hineinblicken muss, weil diese Menschen eben in diese Schublade gehören und sich das auch nicht ändern wird. Heute begegnete ich zum Beispiel einem Mensch der Kategorie "Aufgebrezelte Schachtel mit Kleinköter". Wir alle kennen solche Exemplare: Alte Frauen, die ihre Falten und Furchen mit einer dicken Schicht Make-Up verkleistern, bunte und glitzernde Kleidungsstücke (evtl. gar goldglänzende Schals) tragen und nie ohne ihre Fiffis und Waldis, überzüchtete Pudel oder Chidingsdas, vor die Tür gehen. Genau eine solche Schachtel stieg heute früh dem Bus zu. An ihrer gestrengen Leine hing ein beiger Pudel und zielstrebig steuerte sie auf den Platz neben mir zu. Das wäre gar nicht nötig gewesen, denn im Bus war ausreichend Platz. Und das im Bus ausreichend Platz war, hatte mir zur Gewissensberuhigung gereicht, als ich meine Tasche auf meinem Nachbarsitz abgelegt und ein Bein über das andere geschlagen hatte, um eine Unterlage für meinen Block, auf dem ich zu schreiben gedachte, zu haben. So belegte ich frecherweise also zwei Plätze. Alte Schachtel konnte das natürlich nicht tolerieren. Sie guckte mich böse an und schubste meine Tasche in meine Richtung, offenbar entsetzt darüber, dass ich ihr und ihrem Pudel nicht sofort den Platz geräumt hatte. Weiter tat sie denn auch nichts um mir mitzuteilen, dass sie sich gerne an diesen Platz setzen würde. Geradezu jesusartig meine gute Erziehung zeigend, wo mir gegenüber keine gute Erziehung gezeigt worden war, räumte ich meine Tasche weg und platzierte mich raumsparend auf meinem Sitz. Alte Schachtel dankte es mir mit einem bösen Blick, unter dem ich mir wohl wie die Personifikation des Werteverlusts im Abendland vorkommen sollte. Zur Strafe musste ich mich denn auch über die nächsten Haltestellen hinweg von ihrem verlausten vierbeinigen Freund anknurren lassen und mir sinnloses Altschachtelhundegebrabbel anhören: "Mach platz ja so is gut nein da steigen wir noch nicht aus aber jetzt los, etc." Ach ja, wenn ich ihren Namen wüsste, würde ich übrigens über eine Klage nachdenken. Ihre hochkonzentrierte Parfumwolke hat bei mir sicherlich eine dauerhafte Schädigung des Zentralnervensystems verursacht. In Folge dessen bin ich so dumm geworden, dass ich jetzt Menschen mit Vorurteilen belege und nach ihrem Äußeren einstufe.
Husch, husch
Die Fliege eben auf meinem Bildschirm wollte sich partout nicht von heftigem Mausgewackel vertreiben lassen. Ich musste sie wegpusten.
Aus der Abteilung: Kleine Ereignisse, die einen hässlichen Gedanken ("Das könnte ich doch bloggen.") auslösen.
Müntes Rücktritt entfaltete sofort Wirkung
Gestern abend klingelte es an der Tür: "Süßes sonst gibt's Saures." Drei junge Schokojunkies standen vor mir, nicht unbedingt verkleidet, aber sehr gruselig geschminkt. Entschuldigend hob ich die Hände: "Wir haben wirklich nichts da." Ich wurde mit enttäuschten Blicken bedacht. Halloween hat sich hierzulande wohl noch nicht soweit ins kollektive Bewusstsein vorgearbeitet, dass die Kinder dann auch wirklich böse werden und Häuser mit Eiern bewerfen. Zwei der drei Schokojunkies wollten schon abziehen, doch einer warf einen Blick auf unser Schlüsselbrett. Dort hing ein Schlüsselanhänger der CDU Hessen. "Kann ich den haben? Bitte?" Amüsiert und vor allem verblüfft gab ich ihm den CDU-Schlüsselanhänger. Er bedankte sich und eilte seinen Gefährten hinterher. Bevor ich die Tür wieder schloss, hörte ich ihn noch rufen: "Hey, schaut mal was ich bekommen habe." Erstaunlich.
[Bitte nicht fragen, wie ein CDU-Schlüsselanhänger an unser Schlüsselbrett kommt. Ich habe ihn nicht dort hingetan.]
[Diese alberne Süßes-sonst-gibts-Saures-Übersetzung des amerikanischen "Trick or treat!" ist doch bestimmt auf den Mist einer üblen Film- oder Fernsehsynchronisation gewachsen. Natürlich entstanden kann das nicht sein.]
Buchmesseimpressionen
Wer etwas geschenkt haben möchte, ist auf einer Messe ja grundsätzlich nicht falsch. Schon gar nicht auf der Frankfurter Buchmesse. Deshalb gleich zu Beginn eine kleine Liste all dessen, was S. und ich bei unserem heutigen Buchmessenbesuch abgestaubt haben:
(in chronologischer Reihenfolge)
2 Ausgaben des "Cicero" ("Magazin für politische Kultur")
2 Taschen des Klettverlags
1 Band des Jahres 1978 der SZ Diskothek
1 Dose Katz-Gourmet
1 Strizz-Poster
1 Ausgabe der gestrigen taz
1 Buch: "A Philosopher's Journey into Rehe - Searching for the Portrait of Yeonam through
Travel Diary of Rehe" von Ko Misook
Dabei sind S. und ich noch nicht einmal unbedingt Menschen, die unbedingt etwas geschenkt haben möchten.
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Wovon gibt es also etwas zu berichten? Zum Beispiel vom Gespräch des Strizz-Zeichners Volker Reiche mit einem Redakteur der FAZ an deren Stand. Reiche plauderte sehr munter über seine Arbeit an Strizz, die Entwicklung der Charakter, die zunehmende Detailausgestaltung der Zeichnung, etc. Hin und wieder stellte Reiche tolle Quizfragen, so dass ich eine Dose Katz-Gourmet (welches im Comicstrip des Öfteren eine Rolle spielt) gewann und S. eine tolles Poster mit Herrn Paul und Herrn Müller bekam. Mich würde zu sehr interessieren, was in der Konservendose, die Reiche sehr liebevoll mit seinem eigenen Motiv neu beklebt hat, eigentlich drin ist.
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Ein paar Worte zu Äußerlichkeiten. Denn man muss schon mit Blindheit geschlagen sein, damit einem die große Zahl "attraktiver junger Damen"TM nicht auffällt, die die einzelnen Stände betreut. Lustig ist der Kontrapunkt, den die taz dazu setzt. An ihrem Stand saßen nämlich - man verzeihe mir die zur Verdeutlichung gewählten drastischen Worte - drei rauchende "alte Schachteln". taz muss trotzdem/deswegen sein.
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Korea ist bestimmt ein tolles Land. Sehr technikbegeistert ist man dort auch. So bot man als Gastland der Buchmesse einen ganz besonderen Service an: POD, Publishing On Demand. Bestimmt ein ganz toller neuer Trend. Was POD bedeutet, konnte man an einigen vor einer großen Wand angebrachten Handys per GPRS herausfinden. Mit besagten Geräten konnte man nämlich nicht nur Informationen über Bücher abrufen, sondern auch fertige Bücher mit Namen und persönlicher Nachricht drucken lassen. Allerdings nur, wenn man Glück hatte und auf der von einer freundlichen Servicekraft spendierten Bröschüre eine Gewinnerseriennummer stand. Das klingt jetzt alles sehr kompliziert, aber als wir es verstanden hatten, mussten wir feststellen, dass wir nicht gewonnen hatten. Da nahmen wir unser Glück selbst in die Hand (wie gesagt sind wir nicht unbedingt darauf aus, beschenkt zu werden), besorgten uns rund zwanzig Broschüren, probierten ewig herum und bekamen schließlich doch noch die Meldung, zu den "glücklichen" Gewinnern zu gehören. Rund eine Stunde später konnten wir, nachdem uns eine SMS darüber informiert hatte, unser Buch abholen. Es stellte sich heraus, dass es ein ganz anderes war als das, was wir eigentlich ausgesucht hatten. Aber tatsächlich stand unsere Nachricht ("Wir lieben koreanische Literatur" - jaja, ich weiß. Man kann nicht immer interessant sein) darin. Auf das Buch bin ich auf jeden Fall schon sehr gespannt. Die Qualität ist erstaunlich gut. Zweifellos haben wir es hier mit einer zukunftsträchtigen Technologie zu tun. Nicht zuletzt, weil das Buch beim Abholen noch ganz warm war. Was freue ich mich schon auf die Zeiten, wenn man von Büchern wie von Brötchen reden wird: Mmmhhh, es ist noch ganz warm.
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Fazit: Nächstes Jahr wieder. Auf jeden Fall.
Maschwaschine
Ein Freund von mir hat allen Ernstes mal die Überlegung angestellt, ob sich das ständige Neukaufen billiger Klamotten mehr lohnen würde als die teure Anschaffung einer Waschmaschine. Anstatt einmal in letztere zu investieren, wollte er lieber ständig neue Sachen kaufen, die er nach dem Tragen dann weggeworfen hätte. Er ging wirklich so weit, über die Bestellung einer großen Menge Boxershorts, T-Shirts, etc. nachzudenken, weil er vom Mengenrabatt profitieren wollte. Wir konnten ihn doch noch davon überzeugen, dass der Waschmaschineneinsatz "nachhaltiger" (bitte mit Schröderscher Betonung der ersten Silbe lesen) ist. Andererseits hätte er der Altkleidersammlung sicher eine große Freude bereitet.
Zweite Enttäuschung
Ich fühle mich gerade ganz komisch. Sehr traurig, aber aus einem nicht gerade traurigen Anlass. Nein, es ist keine Melancholie.
Eben musste ich an ein Wort denken, an eine Bezeichnung, die mir sehr gut gefiel. Und dann musste ich überlegen, woher ich das Wort kannte. Es fiel mir erst nicht ein, doch langsam wurde mir klar, dass ich es aus einem Film haben musste, einem Film, der mir gut gefallen, mich berührt haben musste. Langsam fielen mir Teile der Handlung ein, ich erinnerte mich an das Gefühl von Dialogen. Und dann wusste ich, welcher Film es gewesen war. Einer, der mir in Wirklichkeit überhaupt nicht gefallen hatte. Der mich völlig kalt gelassen hatte, höchstens ein wenig verärgert, wegen seines bescheuerten Endes. Jetzt bin ich traurig, weil meine Hoffnung auf eine schöne Erinnerung völlig enttäuscht wurde. Merkwürdig ist das.
Am Anfang macht es noch Spaß
Es gibt da schon seit einigen Wochen diese Kurzgeschichte, die ums Verrecken nicht fertig werden will. Ich habe sie, wie viele meiner Geschichten, aus einer spontanen Idee heraus entwickelt. Aus einer kleinen (autobiographischen) Begebenheit wurde eine Story mit einigen kurz skizzierten Charakteren, die ich in Stichpunkten festhielt. Gründlich arbeitete ich meine Punkte ab, immer wieder freudig Einfälle, die erst während des Schreibens dazukamen, enstreuend, bis fast eine Seite entstanden war. Und dann kam ich auf die dumme Idee, schon einmal gegenzulesen. So verlor ich mich in endlosen Reflektionen über den günstigen Einsatz des Plusquamperfekts und mögliche Missverständnisse. Als ich mit meiner zweiten Version dieses ersten Teils einigermaßen zufrieden war, konnte ich natürlich nicht mehr weiterschreiben. Auch am nächsten Tag wusste ich keinen Anschluss mehr zu finden. Überhaupt gelang es mir gar nicht mehr. Mittlerweile habe ich die Datei bestimmt schon zwanzigmal geöffnet, mir den Text durchgelesen, hier und da durch Kommaeinfügungen den Rhytmus der Sätze geändert (Veränderungen, die ich beim nächsten Lesen stets wieder rückgängig mache), um dann 20 Minuten untätig auf den Monitor zu starren. Dabei weiß ich genau, wie es weitergehen soll. Es ist zum verzweifeln. Noch habe ich aber nicht aufgegeben, was vor allem daran liegt, dass ich den Text nicht einfach wegwerfen, nicht einfach unvollständig veröffentlichen und nicht einfach mit drei Abschlusssätzen sinnentfremden runterbrechen will.
Vielleicht kriege ich ihn ja doch noch fertig. Wenn ich nur lange genug auf den Monitor starre.
Vorhin war es hier neblig. Da musste ich daran denken, dass ich als kleiner Junge bei Nebel mein Fenster immer sperrangelweit aufgemacht habe, damit der Nebel in mein Zimmer kommt. Statt dem Nebel bekam ich aber immer nur eine Erkältung.
Wer wird Kanzler?
Nun, da gibt es eigentlich keine Frage. Es wird Gerhard Schröder. Das ist für mich so sicher wie das Amen in der Kirche. Denn die dreiste Kanzlertour funktioniert tatsächlich, ich habe sie selbst ausprobiert und sie hat sich als praktikabel erwiesen. Nun gut, bei mir ging es jetzt vielleicht nicht um Wohl und Wehe eines Landes, aber fast...
Es war eben beim Snookerspiel gegen meinen Vater. Er hatte 22 Punkte Vorsprung, mit den Kugeln auf dem Tisch waren noch höchsten 27 zu holen. Bei unseren Spielen ist das ein sehr sicheres Polster, denn wir sind nicht gerade sehr gut. Mein Vater machte einen Fehler und weinte seiner verschossenen Kugel hinterher. Jetzt hätte er es schon fast sicher gehabt, meinte er. Ich sah meine Gelegenheit gekommen und dröhnte los: "Du glaubst, du könntest das Spiel hier gewinnen? Das ist ja wohl ein Witz. Im Übrigen kann es keinen anderen Sieger als mich geben." Dann versenkte ich die gelbe Kugel, kurz darauf auch noch grün und braun. Jetzt wurde mein Vater nervös, machte selbst Fehler und ich gewann das Spiel noch auf die Schwarze. Welch Triumph.
Gerhard Schröder wird das genauso klarmachen, auch wenn es jetzt wieder keiner mehr glaubt.
Kleine Verhaltensauffälligkeiten
Diesen Freitag für eineinhalb Tage wieder nach Göttingen. Bruder bei Umzug helfen. Und ein paar Sachen für die neue Wohnung mitbringen. Wer also in einem Regionalzug jemandem mit einer für eineinhalb Tage völlig überdimensionierten Tasche sieht, aus der der Griff einer Bratpfanne hervorragt, könnte es mit mir zu tun haben.