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Sonntag, 4. April 2004
Wo?
Rüdiger war stolz. Nun, da es Zeit war aus dem Leben zu scheiden, erkannte er mit Freude, dass er sein Ziel erreicht hatte. Es gab also tatsächlich keine einzige Photographie von ihm.
Es war nicht so, dass Rüdiger eine spezielle Abneigung gegen Photos gehabt hätte oder dass er sich immer weggedreht hätte, wenn jemand ihn zu photographieren versucht hatte. Der Wunsch, photographisch nicht festgehalten zu werden, hatte sich einfach irgendwann entwickelt. In jungen Jahren, als er erstmals ein Passbild für seinen Ausweis brauchte, hatte er festgestellt, dass er kein Bild von sich besaß. Er wusste nicht recht zu sagen, warum ihm dieser Zustand gefiel. Jedenfalls wollte er nichts daran ändern. Also nahm er für das Passbild das Photo eines Schauspielers, dem er, glaubte er seinen Verwandten, sehr ähnlich sah.
In den folgenden Jahren entwickelte Rüdiger seine bis heute einmalige Technik des Nicht-Photographiert-Werdens. Sie basierte vor allem auf dem Konzept der Prävention. Rüdiger konzentrierte sich vor allem darauf, potentielle Photographen gar nicht erst auf die Idee kommen zu lassen, ihn zu photographieren. Er machte sich also uninteressant. Schrecklich langweilig. Unphotographierenswert. Mit der Zeit wurde er so gut darin, dass man ihn praktisch nicht mehr wahrnahm. Nur wer absichtlich nach Rüdiger Ausschau hielt, sah ihn manchmal noch. Wer nicht nach ihm suchte, konnte ihn praktisch nicht sehen. Es war, als würde niemand in seine Richtung schauen.
Vielleicht wird der Leser, dem ich die völlige Langweiligkeit Rüdigers noch nicht richtig zu vermitteln im Stande gewesen bin, an dieser Stelle fragen, wie Rüdiger denn gestorben sei? Wahrscheinlich wird mir dieser Leser nicht glauben, dass Rüdiger im Restaurant verhungert ist, weil ihn die Bedienung nicht sah.
Es war nicht so, dass Rüdiger eine spezielle Abneigung gegen Photos gehabt hätte oder dass er sich immer weggedreht hätte, wenn jemand ihn zu photographieren versucht hatte. Der Wunsch, photographisch nicht festgehalten zu werden, hatte sich einfach irgendwann entwickelt. In jungen Jahren, als er erstmals ein Passbild für seinen Ausweis brauchte, hatte er festgestellt, dass er kein Bild von sich besaß. Er wusste nicht recht zu sagen, warum ihm dieser Zustand gefiel. Jedenfalls wollte er nichts daran ändern. Also nahm er für das Passbild das Photo eines Schauspielers, dem er, glaubte er seinen Verwandten, sehr ähnlich sah.
In den folgenden Jahren entwickelte Rüdiger seine bis heute einmalige Technik des Nicht-Photographiert-Werdens. Sie basierte vor allem auf dem Konzept der Prävention. Rüdiger konzentrierte sich vor allem darauf, potentielle Photographen gar nicht erst auf die Idee kommen zu lassen, ihn zu photographieren. Er machte sich also uninteressant. Schrecklich langweilig. Unphotographierenswert. Mit der Zeit wurde er so gut darin, dass man ihn praktisch nicht mehr wahrnahm. Nur wer absichtlich nach Rüdiger Ausschau hielt, sah ihn manchmal noch. Wer nicht nach ihm suchte, konnte ihn praktisch nicht sehen. Es war, als würde niemand in seine Richtung schauen.
Vielleicht wird der Leser, dem ich die völlige Langweiligkeit Rüdigers noch nicht richtig zu vermitteln im Stande gewesen bin, an dieser Stelle fragen, wie Rüdiger denn gestorben sei? Wahrscheinlich wird mir dieser Leser nicht glauben, dass Rüdiger im Restaurant verhungert ist, weil ihn die Bedienung nicht sah.
Samstag, 3. April 2004
Stop Breakin' Down Blues
Er verwarf den Gedanken, dass der diesjährige Winter besonders lang gewesen sei, als ihm bewusst wurde, dass er das Selbe auch schon vom letztjährigen Sommer gedacht hatte.
Layla
Und immer wieder diese Gänsehaut beim Anhören von Liveaufnahmen, wenn das Publikum jubelt, weil es gerade die ersten Akkorde eines Liedes erkannt hat, auf das es schon den ganzen Abend gewartet hatte.
Freitag, 2. April 2004
Dichterisches Selbstverständnis
Nun beschäftigt mich eine wirklich wichtige Frage: Welche Verantwortung hat ein Autor gegenüber denen von ihm erschaffenen Charakteren. Ich denke dabei an die vielen Figuren, die im Laufe der Literaturgeschichte den unterschiedlichsten tragischen Schicksalen anheim fielen. Um dabei einem Missverständnis vorzubeugen: Ich bin keineswegs Verfechter des Happy Ends, eher ein entschiedener Gegner desselben. Wenn mir jemand weismachen wollte, dass der Schriftsteller eine Verantwortung gegenüber seinen Lesern hätte, würde ich diesem jemand deutlich machen, dass ich ihn für dumm halte. Der Schriftsteller muss sich meiner Meinung nach völlig vom Anspruch seines Lesers lossagen. Leser sind beschränkte, obskure, aber vor allem passive Gestalten, die der Autor niemals beachten sollte.
Um zur eigentlichen Frage zurückzukommen: Darf der Autor seine Figuren einfach sterben lassen? Oder auch nur ihre Menschenwürde verletzen? Antwort bietet wohl die Übertragung des Verhältnisses Schriftsteller – Autor auf ein der Realität entsprechendes Verhältnis, etwa „Gott – Mensch“. Wäre es moralisch vertretbar, wenn Gott am Ende der Weltgeschichte alle Menschen sterben ließe?
Okay, schlechtes Beispiel.
Um zur eigentlichen Frage zurückzukommen: Darf der Autor seine Figuren einfach sterben lassen? Oder auch nur ihre Menschenwürde verletzen? Antwort bietet wohl die Übertragung des Verhältnisses Schriftsteller – Autor auf ein der Realität entsprechendes Verhältnis, etwa „Gott – Mensch“. Wäre es moralisch vertretbar, wenn Gott am Ende der Weltgeschichte alle Menschen sterben ließe?
Okay, schlechtes Beispiel.
Dienstag, 30. März 2004
Und stets die Frage, ob es im Original nicht noch lustiger war.
"Meine Libido ist damit beendet."
Dienstag, 30. März 2004
Evolution der Geschlechterrollen (aus einer fernen Zukunft?)
Die Ärztin warf einen kritischen Blick auf den Monitor.
- „Frau Doktorin, wenn etwas nicht stimmt, sagen Sie es mir bitte gleich.“ Zunehmend nervös versuchte die werdende Mutter den Gesichtsausdruck der Ärztin zu Mustern. Scheinbar gedankenversunken setzte diese die Ultraschalluntersuchung noch ein paar Minuten fort, dann teilte sie der Patientin die schlechten Nachrichten mit:
- „Nehmen Sie es nicht zu schwer, aber es wird wohl ein Junge.“ Hellauf entsetzt starrte die werdende Mutter zur neben ihr sitzenden Ärztin auf.
- „Ein Junge? Aber das ist doch furchtbar!“. Die Ärztin nickte zustimmend:
- „Es tut mir leid.“ Mit zunehmendem Verständnis dessen, was das unerwünschte Geschlecht ihres Kindes bedeutete, wuchs die Verzweiflung der werdenden Mutter:
- „Kann man denn da nichts machen?“. Die Ärztin setzte ihren Ich-Fürchte-Nicht-Blick auf und spielte nervös an einigen Drehknöpfen der Ultraschallapparatur herum:
- „Ich fürchte nicht.“
- „Frau Doktorin, wenn etwas nicht stimmt, sagen Sie es mir bitte gleich.“ Zunehmend nervös versuchte die werdende Mutter den Gesichtsausdruck der Ärztin zu Mustern. Scheinbar gedankenversunken setzte diese die Ultraschalluntersuchung noch ein paar Minuten fort, dann teilte sie der Patientin die schlechten Nachrichten mit:
- „Nehmen Sie es nicht zu schwer, aber es wird wohl ein Junge.“ Hellauf entsetzt starrte die werdende Mutter zur neben ihr sitzenden Ärztin auf.
- „Ein Junge? Aber das ist doch furchtbar!“. Die Ärztin nickte zustimmend:
- „Es tut mir leid.“ Mit zunehmendem Verständnis dessen, was das unerwünschte Geschlecht ihres Kindes bedeutete, wuchs die Verzweiflung der werdenden Mutter:
- „Kann man denn da nichts machen?“. Die Ärztin setzte ihren Ich-Fürchte-Nicht-Blick auf und spielte nervös an einigen Drehknöpfen der Ultraschallapparatur herum:
- „Ich fürchte nicht.“
Sonntag, 28. März 2004
Habe mir eben etwas unglaublich Lustiges gedacht, aber jetzt habe ich es leider schon wieder vergessen. Wenn es jemand anderem einfällt, soll er es doch bitte hier in die Kommentare schreiben.
Bin ja schon dabei
- "Kannst du mir jetzt noch einmal nach der Musik schauen?"
- "Nein."
- "Doch. Du kannst auch mal was für mich tun."
- "Aber ich find doch sowieso nichts."
- "Such jetzt mal."
- "Mit der Einstellung kriege ich das nie hin..."
- "Nein."
- "Doch. Du kannst auch mal was für mich tun."
- "Aber ich find doch sowieso nichts."
- "Such jetzt mal."
- "Mit der Einstellung kriege ich das nie hin..."
Im Hinterher
Manchmal muss man sich einfach Gedanken über die wichtigen Dinge im Leben machen. Über das was letztlich wirklich zählt, nicht nur, wenn man vor seinen Schöpfer tritt, den Hut zieht und eine abwehrende Geste macht, wenn dieser sich für alle Unannehmlichkeiten entschuldigen will. Ohne Unannehmlichkeiten geht es eben nicht, sagt man sich. Kein Wunder, wenn man vor seinen Schöpfer tritt, ist man meistens schon tot. Nur wenige haben es lebend vor den Schöpfer gebracht. Bei denen hat er sich nicht entschuldigt.
Was ich damit sagen will? Nun ich denke, wir sollten uns alle Gedanken machen, wie wir eines Tages dem Mann mit der Sense von der Schippe springen. Oder wie wir verhindern, dass wir uns an einer heißen Pizza die Zunge verbrennen. Oder wie wir es uns gelingt, Äpfel vom Baum zu holen, ohne dabei albern auszusehen.
Ein Mann, den ich für sein erzählerisches Talent sehr bewundere, hat für all diese Probleme einen interessanten Lösungsansatz geliefert, der bis heute leider mehr oder weniger ignoriert wurde. Ich spreche vom mittlerweile leider verstorbenen Douglas Adams, der in seiner fünfbändigen "increasingly inaccurately named Hitchhiker's Trilogy" erklärte, wie der Mensch fliegen kann: "While falling, you have to miss the ground completely." Dies kann nur gelingen, wenn man im Fallprozess abgelenkt wird.
Dieses Abgelenkt Werden sollte die Lösung aller menschlichen Existenzprobleme sein. Das Konzept lässt sich sicherlich auch gut auf andere Lebensbereiche übertragen. Spontan fällt mir Verhütung ein. Obwohl, vielleicht besser nicht.
Warum noch niemand Adams Konzept weiterverfolgt hat, verstehe ich nicht. Aber ich werde versuchen, ob ich beim Versuch, es nicht zu verstehen, versagen kann.
Was ich damit sagen will? Nun ich denke, wir sollten uns alle Gedanken machen, wie wir eines Tages dem Mann mit der Sense von der Schippe springen. Oder wie wir verhindern, dass wir uns an einer heißen Pizza die Zunge verbrennen. Oder wie wir es uns gelingt, Äpfel vom Baum zu holen, ohne dabei albern auszusehen.
Ein Mann, den ich für sein erzählerisches Talent sehr bewundere, hat für all diese Probleme einen interessanten Lösungsansatz geliefert, der bis heute leider mehr oder weniger ignoriert wurde. Ich spreche vom mittlerweile leider verstorbenen Douglas Adams, der in seiner fünfbändigen "increasingly inaccurately named Hitchhiker's Trilogy" erklärte, wie der Mensch fliegen kann: "While falling, you have to miss the ground completely." Dies kann nur gelingen, wenn man im Fallprozess abgelenkt wird.
Dieses Abgelenkt Werden sollte die Lösung aller menschlichen Existenzprobleme sein. Das Konzept lässt sich sicherlich auch gut auf andere Lebensbereiche übertragen. Spontan fällt mir Verhütung ein. Obwohl, vielleicht besser nicht.
Warum noch niemand Adams Konzept weiterverfolgt hat, verstehe ich nicht. Aber ich werde versuchen, ob ich beim Versuch, es nicht zu verstehen, versagen kann.
Donnerstag, 25. März 2004
Werbung in eigener Sache
Ich möchte an dieser Stelle auf meine Geschichte "Trotzdem lachen" hinweisen, die ich für eine der besten, wenn nicht die beste aller Geschichten halte, die ich je verfasst habe. Wer "Trotzdem lachen" noch nicht gelesen hat, der sei an dieser Stelle ausdrücklich ermuntert, dies nachzuholen. All jenen, die "Trotzdem lachen" schon gelesen haben, kann ich nur empfehlen, "Trotzdem lachen" ein weiteres Mal zu lesen. Meiner Meinung nach lohnt es sich wirklich.
Samstag, 20. März 2004
Trotzdem lachen
DeJean war Komiker, sogar ein richtig lustiger. Keiner dieser dämlichen Fernsehkomiker, die nur auf den nächsten Lacher bedacht sind. DeJean hatte Tiefgang, jedoch ohne irgendjemanden von seinem Humor auszuschließen. Seinem außergewöhnlichen Talent war die Revolution, wenn nicht gar die völlige Neuerschaffung eines kompletten Humorgenres zuzuschreiben: der Fehlleistungskomik. Unter dieser zunächst umständlichen Bezeichnung ließen sich nämlich seine besten Witze zusammenfassen. Es waren stets solche, bei denen der von DeJean dargestellte Charakter versehentlich etwas tat, was dann katastrophale, aber stets auch lustige Folgen nach sich zog. Zu besonderer Berühmtheit gelangte ein Sketch, bei dem Petrus nach einer durchzechten Nacht auf Wolke 7 die Schalter für die Wettersteuerung durcheinander bringt und daraufhin Pinguine und Eisbären auf dem Nordpol ein rauschendes Frühlingsanfangsfest feiern. Als DeJean bei einem Interview einmal gefragt wurde, woher er die genialen Ideen für seine Fehlleistungskomik nehme, antwortete er, dass ihm selbst ständig dergleichen passieren würde und dass das Publikum fast nur über Beispiele aus DeJeans eigenem Leben lachte.
Nun geschah es eines Tages, dass DeJean auf offener Straße von einem Auto überfahren wurde. Er war sofort tot und hinterließ eine Frau und drei Kinder. Da verschiedene Zeugen berichteten, DeJean habe sich völlig freiwillig zu einem Zeitpunkt auf die Straße begeben, zu dem es dem Autofahrer völlig unmöglich war, rechtzeitig zu bremsen, wurde der Fall von der zuständigen Staatsanwaltschaft schon bald als Selbstmord zu den Akten gelegt.
Die Wahrheit sprach nur ein einziger Mensch aus, jedoch ohne es zu wissen. Es war zwei Tage nach DeJeans Tod, gegen 22 Uhr in einer verrauchten Kneipe, als ein angetrunkener Bauarbeiter über der Lektüre eines überregionalen Boulevardblatt ausrief, dass DeJean bestimmt nur den Mittelstreifen der Straße mit dem Zebrastreifen verwechselt habe.
Nun geschah es eines Tages, dass DeJean auf offener Straße von einem Auto überfahren wurde. Er war sofort tot und hinterließ eine Frau und drei Kinder. Da verschiedene Zeugen berichteten, DeJean habe sich völlig freiwillig zu einem Zeitpunkt auf die Straße begeben, zu dem es dem Autofahrer völlig unmöglich war, rechtzeitig zu bremsen, wurde der Fall von der zuständigen Staatsanwaltschaft schon bald als Selbstmord zu den Akten gelegt.
Die Wahrheit sprach nur ein einziger Mensch aus, jedoch ohne es zu wissen. Es war zwei Tage nach DeJeans Tod, gegen 22 Uhr in einer verrauchten Kneipe, als ein angetrunkener Bauarbeiter über der Lektüre eines überregionalen Boulevardblatt ausrief, dass DeJean bestimmt nur den Mittelstreifen der Straße mit dem Zebrastreifen verwechselt habe.
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