Die Abdenkung
Der letzte Gedanke, den A. vor seinem Ende hatte, ist höchst interessant. Denn A. befand sich vor seinem Ende in einer Situation, die die Bildung von interessanten Gedanken zu befördern vermag. Wie er in diese Situation kam, liegt heute wie hinter einer Nebelwand unseren Blicken verborgen. Dass eine Nebelwand jedoch am Kommen in diese Situation beteiligt gewesen wäre, kann als sicher ausgeschlossen werden.

A. also dachte noch, kurz bevor es ein Ende mit ihm nahm. Doch sollte man annehmen, dass sein letzter Gedanke nicht mehr bekannt geworden wäre, da er ihn, so kurz vor seinem Ende, nicht mehr mitzuteilen in der Lage gewesen sein kann. Denn wenn er doch Gelegenheit gehabt hätte, seinen letzten Gedanken mitzuteilen, so wäre dieser letzte Gedanke gar nicht sein letzter gewesen. Sein letzter Gedanke wäre dann gewesen: "Oh, jetzt habe ich meinen letzten Gedanken mitgeteilt." Und das wäre kein - wie oben angekündigt - höchst interessanter Gedanke. Daran dachte A. also nicht, als er seinen letzten Gedanken dachte, und das ließ die Situation, in der er sich befand, auch gar nicht zu.

Wenn wir also seinen letzten Gedanken gar nicht von ihm selbst erfahren haben - so werden gedankenvolle Menschen einwenden - können wir gar nicht wissen, dass es sein eigener Gedanke ist. Es sei vielmehr der Gedanke, den wir hätten, wenn wir in jener Situation gewesen wären, in die A. durch so rätselhafte Umstände geriet. So dass das Bedenkenswerte an A. gar nicht mehr sein letzter Gedanke, sondern die Situation vor seinem Ende sei, in der er sich befand.

Dieser Gedankengang hätte A. vor seinem Ende sicher gut gefallen, und er wäre ihm ausgiebig gefolgt, wenn die Situation, in der er sich befand, es zugelassen hätte. Unter seinen Überlegungen war aber kurz vor seinem Ende kein Platz mehr. Die Situation erforderte einen anderen Gedanken, den A. dann auch tatsächlich dachte, kurz vor seinem Ende, dem Ende des großen Denkers A.
Dienstag, 4. Juli 2006, 00:07, von drbierkrug | |comment | Siehe auch: Geschichten