Aus meiner in 26 Jahren erscheinenden Autobiographie
"[...] Ich wohnte damals in einer 3 1/2 Zimmer Wohnung. Nicht wirklich in der Innenstadt, nicht wirklich außerhalb. Es war keine gute Phase meines Lebens, wie ich mir heute, an die Einrichtung dieser Wohnung zurückdenkend, eingestehen muss. Gelangweiltes durchblättern von IKEA-Katalogen und eine generelle Ablehnung alles "Normalen" hatte mich nach dem Abschluss des Mietvertrages dazu gebracht, allem "Praktischen" abzuschwören. Konkret hieß das: Ich kaufte meine Möbel nicht nach Aussehen und Nutzen, sondern sah eine Übersichtsliste aller IKEA-Artikel im Katalog nach lustigen Namen durch. So kam ich zu einem Schrank aus der Reihe "Holger" und allerlei anderem Krempel zum Bewohnen. Natürlich baute ich nicht alles ordnungsgemäß zusammen, ich wollte ja nicht schön/praktisch wohnen. Ein Einzelteil des Bettes, das mir verzichtbar erschien, nagelte ich an die Wand, versah es mit Farbe und betrachtete es als Kunst. Ich kaufte mir ein paar würfelförmige gepolsterte Sitzhocker und legte sie mir wo es ging in den Weg. Wollte ich von der Couch ("Ingo"), die übrigens in der Küche stand, ins Bad, musste ich immer erst einen komplizierten Slalomparcours zwischen den Hockern hindurch absolvieren. Überhaupt versuchte ich mir das Wohnen immer wieder künstlich zu erschweren, indem ich in regelmäßigen Abständen die Anordnung der Möbelstücke veränderte. Um jeden Preis wollte ich so etwas wie "Gewöhnung" verhindern. Ich ging sogar so weit, ein obskures Flachbildfernsehgerät zu erstehen, das bei jedem Einschalten die Programmreihenfolge völlig willkürlich neu erstellte (ein Fehler, der vom Hersteller als völlig unerklärlich bezeichnet wurde, mir aber sehr entgegen kam, sowohl weil er das Fernsehgerät sehr unpraktisch, als auch bei ebay sehr billig machte). So war die Sendersuche jeden Tag ein neues Vergnügen. Wie ich auf die Idee kam, den Flachbildfernseher an der Außenseite der Badezimmertür anzubringen, weiß ich nicht mehr. Doch ich erinnere mich noch, dass ich den Fernseher später beinahe wieder an einem anderen Ort angebracht hätte. An der Tür erschien er mir zunächst zu praktisch, weil man ihn so von jedem Ort im Wohnzimmer sehen konnte, wenn man denn die Tür entsprechend kippte. Ich entschloss mich letztlich aber doch, den Fernseher an der Tür zu lassen, vor allem, weil er bei Videoabenden mit Freunden immer wieder für Irritationen und Erheiterung sorgte. Wollte ein Gast nämlich während einem Film auf die Toilette, zwang er alle anderen dazu, von Couch "Ingo" auf Couch "Ekeskog" umzusiedeln (es sei denn, er war bereit, die Tür offenzulassen). Generell fand eher selten ein Videoabend bei mir statt. Überhaupt: meine Freunde reagierten nicht so begeistert auf meine Wohnung. Die meisten nannten mich "Spinner" und lachten. Meine Eltern nannten mich auch "Spinner", lachten dabei aber nicht.

War schon lustig, damals. [...]"
Samstag, 28. August 2004, 20:34, von drbierkrug | |comment | Siehe auch: Geschichten

 
wow,
ich hab mir dann gerade im kalender notiert, dass ich mir in 26 jahren ihre biographie zulege.
und dabei dachte ich immer ich lebe eher unkonventionell...

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